Zwischen Neckar und Alb

Horror am Bahnhof nur zur Übung

Katastrophenschutz Die Rettungsdienste proben in Nürtingen den Ernstfall – Beim simulierten Zugunglück werden viele Verletzte von Feuerwehr, THW und Sanitätern geborgen und versorgt. Von Thomas Krytzner

Gefahrstoffe mussten mit speziellen Schutzanzügen, der Lokführer mit einer Schleifkorbtrage geborgen werden.
Gefahrstoffe mussten mit speziellen Schutzanzügen, der Lokführer mit einer Schleifkorbtrage geborgen werden.

Es ist ein Horrorszenario, wie man es sich nicht vorstellen mag: Am Nürtinger Bahnhof sind bei Rangierarbeiten ein Güterzug und eine Regionalbahn kollidiert. Es gibt massenweise Verletzte, die zum Teil geborgen werden müssen, die Regionalbahn droht in Brand zu geraten. Und als wäre das nicht schon genug, wurde bei der Rangierfahrt ein Fass mit flüssigem Gefahrgut beschädigt.

Zum Glück war alles nur eine Übung. Aber eine, die es in sich hatte. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn übten am Samstag die Rettungsdienste von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Rotem Kreuz, den Maltesern sowie die Polizei. Die Notfallübung hat den Zweck, dass die Hilfsdienste verschiedene Szenarien proben können, wie Christian Fuchs, Notfallmanager der Bahn betonte. „Da mehrere Gefahrensituationen dargestellt wurden, ließ sich die koordinierte Zusammenarbeit aller Beteiligten üben.“

Für 85 Teilnehmer begann die Übung jedoch schon viel früher, nämlich für die Darsteller und Schauspieler. Sie spielten die Fahrgäste in der Regionalbahn und fanden sich früh am Morgen in der Schminkstation im Empfangsgebäude des Bahnhofs ein. Dort bekamen sie realistisch aussehende Verletzungen verpasst. Ebenso wurden sie auf ihr Schauspiel als Verletzte und aufgeregte Passagiere vorbereitet. Dies konnten sie kurz nach Übungsbeginn gleich anwenden.

Kollision der Regionalbahn

Die Türen der Regionalbahn blieben nach der Kollision, die nur auf dem Papier der Übungsregie stattfand, verschlossen. Die Fahrgäste klopften mit aller Kraft gegen die Scheiben und schrien um Hilfe, als die ersten Rettungskräfte der Rettungsdienste eintrafen. Der Lokführer der Regionalbahn hatte den Notruf abgesetzt und die Leitstelle informiert. Da im Regeldienst der Rettungskräfte ein Fahrzeug immer besetzt ist, trafen die Notfallsanitäter als Erste am Einsatzort ein. Es folgten kurz darauf die Feuerwehren aus Nürtingen und weitere Rettungsdienste aus dem Landkreis Esslingen. Somit konnten die ersten Rettungsmaßnahmen koordiniert eingeleitet werden.

Doch ganz so einfach wurde es den Rettungsdiensten nicht gemacht. Rauch an den Wagen der Regionalbahn deuteten auf ein Feuer hin. Zudem ließen sich die Türen nicht öffnen. Da musste die Feuerwehr ran. Während eine Gruppe sich um das drohende Feuer kümmerte, gelang es einer weiteren Abteilung der Floriansjünger, die Türen mit Spreizer und Hydraulik zu öffnen. Endlich konnten die Notfallsanitäter zu den Verletzten klettern und die erste Sichtung und Versorgung übernehmen. Die Darsteller spielten ihre Rollen gut und sorgten für einige Stressmomente. Einer schrie immer: „Hier gibt es eine Schwangere, die bekommt ihr Kind“, während sich ein anderer Schauspieler um seinen Freund sorgte. Er verlangte sofortige Hilfe durch den Einsatzleiter der Rettungsdienste. Da hieß es für alle Kräfte, Ruhe zu bewahren und die Rettung zu koordinieren. Immer wieder waren Schreie von Verletzten zu hören, überall war Blut und einige Fahrgäste schienen im Schockzustand zu sein und mussten erstmal beruhigt werden.

Das Technische Hilfswerk baute einen Zugang zu den Wagen der Regionalbahn, sodass die Verletzten einfacher in das Versorgungszelt gebracht werden konnten. Dort wurden sie weiter behandelt und in die verschiedenen Kliniken transportiert. Als schwierig stellte sich auch die Bergung des Lokführers des Güterzugs heraus. Da die Tür der Lok zu schmal war, musste dieser mittels Schleifkorbtrage geborgen werden. Auch hier funktionierte die Zusammenarbeit der Rettungskräfte bestens. Vor Ort hatte die Feuerwehr zusätzlich mit auslaufenden Gefahrstoffen zu kämpfen. Um den einen Rangierarbeiter herum lagen überall kleine Kanister mit noch unbekanntem Inhalt und auf einem der Güterwagen stand ein Behälter mit einer angeblichen Ammoniaklösung. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr legten daher spezielle Schutzanzüge und Atemschutzgeräte an und konnten so die Gefahrenstoffe ohne Verletzungen bergen. Der Messzug der Feuerwehr Ostfildern leistete entsprechende Unterstützung.

Notfallmanager Christian Fuchs zeigte sich mit der Übung zufrieden, ebenso die Einsatzleiter der verschiedenen Rettungsdienste. DRK-Kreisbereitschaftsleiter Andreas Schober stellte fest: „Die Zusammenarbeit hat funktioniert, wir sind bestens gerüstet.“

Auch den zahlreichen Zuschauern gefiel die Action, und immer wieder gab es Komplimente für die Einsatzkräfte. Die Rettungsdienste waren mit rund 170 Kräften vor Ort. Von den Feuerwehren aus Nürtingen, Ostfildern und Esslingen waren 70 Leute mit 13 Fahrzeugen beim Bahnhof. Das THW kam mit drei Fahrzeugen und 15 Helfern. Die Rettungsdienste von DRK und den Maltesern stellten 80 Einsatzkräfte und 35 Fahrzeuge bereit.

Auslaufendes Gefahrgut erforderte den Einsatz unter Schutzanzug. Krytzner
Auslaufendes Gefahrgut erforderte den Einsatz unter Schutzanzug. Krytzner
Die Übungsleitung und die Verantwortlichen waren mit dem Übungsverlauf zufrieden. Fotos: Thomas Krytzner
Die Übungsleitung und die Verantwortlichen waren mit dem Übungsverlauf zufrieden. Fotos: Thomas Krytzner