Zwischen Neckar und Alb

„Ich halte nichts davon, vorab rote Linien zu ziehen“

Interview Der SPD-Kreisvorsitzende Michael Beck knüpft eine Große Koalition an harte Bedingungen.

SPD-Kreisvorsitzender Michael Beck.Foto: pr
SPD-Kreisvorsitzender Michael Beck.Foto: pr

Kreis. Welche Koalition darf es sein? Eine Jamaika-Regierung scheint vom Tisch zu sein, eine Große Koalition ist im Gespräch. Auch die SPD im Kreis Esslingen auf ihrem Kreisparteitag beschäftigt sich mit dem aktuellen bundespolitischen Kurs. Der SPD-Kreisvorsitzende Michael Beck plädiert für ergebnisoffene Gespräche seiner Partei, sieht aber keinen Automatismus, der in eine Große Koalition führt.

Nach den gescheiterten Sondierungen: Wie war die Stimmung auf dem Kreisparteitag?

Michael Beck: Zunächst einmal belegen die gescheiterten Jamaika-Sondierungen einmal mehr das Scheitern des Politik-Stils von Angela Merkel. Die CDU-Vorsitzende hat die Gespräche nicht gut gestaltet und trägt die Gesamtverantwortung für die politische Unsicherheit. Offenbar ist eine Kompromissfindung ohne die SPD nicht möglich. Eine ganz überwiegende Mehrheit sprach sich auf dem Kreisparteitag dafür aus, dass die SPD Verantwortung für unser Land übernehmen sollte.

Heißt das, die SPD im Kreis Esslingen spricht sich für eine Neuauflage der Großen Koalition aus?

Beck: Nein, es gibt keinesfalls einen Automatismus zur Bildung einer neuen Großen Koalition. Die Gespräche sollten ergebnisoffen geführt werden. Jetzt kommt es auf Inhalte an. Abhängig davon, ob sich die Union bei den zentralen Zukunftsthemen auf die SPD zubewegt, werden schlussendlich alle SPD-Mitglieder in Deutschland entscheiden, ob eine Regierungsbeteiligung Sinn macht oder nicht. Neuwahlen sind für uns auf jeden Fall keine Lösung.

Was halten Sie von einer Minderheitsregierung? Wäre das ein zukunftsfähiges Regierungsmodell für Deutschland?

Beck: Auch eine Minderheitsregierung kann ein mögliches Ergebnis der Gespräche sein. Viele SPD-Mitglieder haben sich jedoch skeptisch zu einer Minderheitsregierung geäußert. Ich persönlich sehe eine Minderheitsregierung zwar auch kritisch. Es wäre aber eine denkbare Variante. Aber es wäre fatal, wenn die SPD zum Beispiel in der Außen- und Europapolitik die Regierung stützt und dann aber in der Innenpolitik zusehen müsste, wie zum Beispiel das Arbeitszeitgesetz mit den Stimmen von CDU/CSU, AfD und FDP aufgeweicht wird.

Sie sagen, es müsse jetzt um Inhalte gehen. Welches sind die zentralen Politikfelder für die SPD?

Die Grundlage für die Gespräche bildet das Regierungsprogramm der SPD. Zum Beispiel die Weiterentwicklung der EU zu einer demokratischeren und sozialeren Union oder die Abschaffung des Kooperationsverbotes in der Bildungspolitik. Das Thema bezahlbarer Wohnraum, die Ausgestaltung unseres Gesundheitssystems und natürlich die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Ich halte nichts davon, vorab „rote Linien“ zu ziehen.

Die SPD hat bei der vergangenen Bundestagswahl gerade einmal 20,5 Prozent der Stimmen erhalten. Wird die viel beschworene „Erneuerung“ der Partei im Falle einer tatsächlichen Regierungsbeteiligung überhaupt möglich sein oder wäre der Gang in die Opposition für die SPD doch der richtige Weg?

Die Entscheidung der Parteispitze, direkt nach der Wahl deutlich zu machen, dass die SPD in die Opposition gehen wird, war richtig. Dennoch befinden wir uns jetzt jedoch in einer vollkommen neuen Situation. Außerdem bin ich ganz grundsätzlich der Meinung, dass es ein Irrglaube ist, dass allein eine Oppositionsrolle eine Erneuerung der Partei ermöglicht. Letztlich muss die SPD, ob nun in Regierungsverantwortung oder nicht, deutlicher aufzeigen, was uns von der CDU unterscheidet. pm