Zwischen Neckar und Alb

„Ich wollte nichts Gerades machen“

Angehende Schreiner arbeiten an ihren Gesellenstücken – Ausstellung am Sonntag in der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen

Die Auszubildenden in der Schreiner-Innung Esslingen-­Nürtingen arbeiten derzeit an ihren Gesellenstücken. Einer von ihnen ist Robby Richter.

Robby Richter bei der Arbeit an seinem Gesellenstück. Foto: Peter Dietrich
Robby Richter bei der Arbeit an seinem Gesellenstück. Foto: Peter Dietrich

Nürtingen. „Ich wollte nichts Gerades machen“, sagt Robby Richter. Entsprechend gestaltet er sein TV-Möbel mit 30-Grad-Winkeln. Vorab hat er einen Testkorpus gefertigt und sich zur Belastungsprobe draufgestellt. Der Test war erfolgreich, durch die Schrägen entstehen sogar mehr Leimflächen. Richter hat den Entwurf mit seinem Chef, Martin Schäffer, diskutiert. „Drei Millimeter Material sind manchmal entscheidend, ob ein Möbelstück schön wird oder nicht“, sagt Schäffer. Seine Schreinerei mit zehn Mitarbeitern betreibt er in der dritten Generation, sie hat sich auf hochwertige Möbel spezialisiert.

Richter, 27 Jahre alt, ist gebürtiger Sachse. In die Region kam er durch seinen Bruder, der in Nürtingen lebt, seine erste Schreinerausbildung hat er woanders begonnen. Noch im ersten Lehrjahr, mit einem Tag pro Woche im Betrieb, merkte er, dass er dort zu wenig lernen konnte. Er wollte mehr, war froh über den möglichen Wechsel. „Wir machen Sachen, die andere Schreiner selten machen“, sagt Schäffer. „Wir fertigen Möbel von der Pike auf selbst, haben viele Spezialanfertigungen.“ Das reicht von der Planung, Beratung und Produktion bis zur Montage vor Ort. Dort sind die Auszubildenden im zweiten Lehrjahr häufig eingesetzt.

Bevor ein Möbelstück gebaut wird, sagt Schäffer, muss es zuerst beim Mitarbeiter im Kopf sein. Richter hat sein TV-Möbel an seinem Laptop gezeichnet, diesen bringt er immer in die Schreinerei mit. Die kniffligen Aufgaben lagen im Detail. Wie sollte er eine Klappe unauffällig zuhalten? Richter hat verborgen kleine, starke Magnete eingebaut.

„Er ist immer da, wenn man ihn braucht“, lobt Schäffer seinen Azubi, er ist einer von zwei. Er habe großes Interesse und wolle im Handwerk bleiben, sei freundlich zu Kunden, das Verhältnis zu den Kollegen stimme. „Das muss funktionieren wie in einer Familie.“ So wird er Richter übernehmen. „Das Lernen hört nicht mit der Ausbildung auf“, sagt Schäffer.

Gedanken durfte sich Richter über sein Gesellenstück lange vorher machen, doch die Fertigung ist auf zwei Wochen beschränkt, das sind 80 Arbeitsstunden. Richter wollte auf jeden Fall etwas anfertigen, das er selbst brauchen kann. Dass ihm das Gesellenstück nachher gehört, ist für seinen Chef selbstverständlich. „Das war schon immer so, dass der Geselle das mitnimmt.“ Auch wenn die Firma Zeit und Material bezahlt hat.

Er hat Richter geraten, sich beim Design zurückzuhalten: „Wenn ein Möbelstück alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist es nicht gut.“ Er selbst hat für sein Meisterstück einen zeitloseren Entwurf gewählt als bei seinem Gesellenstück. Richter konnte den Rat nachvollziehen: „Es soll ja nicht ablenken.“ Zu seinem Materialmix gehört Massivholz genauso wie eine dünne Multiplexplatte als Schubladenboden. Obendrauf kommt eine dünne Glasplatte.

Am Samstag, 23. Juli, wählt eine Jury die Gesellenstücke aus, die eine Anerkennung oder Belobigung erhalten. Diese Jury ist mit Stefan Schwarz, Architekt aus Nürtingen, Achim Pasold, Gestaltungslehrer der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen und dem Schreinermeister Konrad Aichele-Heilemann aus Ostfildern besetzt.

Am Sonntag, 24. Juli, sind die etwa 20 Gesellenstücke von 10 bis 16  Uhr in der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen, Kanalstraße 29, öffentlich ausgestellt. Anschließend sind sie auf www.schreiner-es-nt.de zu sehen.