Lelnfelden-Echterdingen. Im Prozess gegen einen 26-jährigen Angeklagten, der seine Schwester mit einem OP-Kittel gewürgt hatte, geht das Gericht davon aus, dass von dem Mann auch sieben Monate nach dem Angriff eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. In seiner mündlichen Urteilsbegründung sagte der Richter Norbert Winkelmann, dass der Mann auf der Anklagebank aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie weiter behandelt werden müsse. Ohne eine Behandlung seien weitere Straftaten zu erwarten.
„Es besteht ein hohes Risiko der Wiederholung“, meinte Winkelmann. Eine Therapie in Freiheit komme unter anderem aufgrund der fehlenden Einsicht des Mannes in seine Behandlungsbedürftigkeit nicht infrage. Eine Verurteilung wegen versuchten Mordes erfolgte aufgrund der schweren psychischen Krankheit des Mannes nicht.
Drogentrip als Auslöser
Auf die Anklagebank kam der Mann, nachdem er im November vergangenen Jahres am Stuttgarter Flughafen seine jüngere Schwester gewürgt hatte. Zuvor hatte er nach einem mehrtägigen Drogentrip in Istanbul einen bis heute anhaltenden Verfolgungswahn entwickelt. Der Mann geht davon aus, dass es eine große Verschwörung der türkischen Mafia gegen ihn gibt. Als Motiv gab er an, dass er seinen Verfolgern nur zeigen wollte, dass ihm seine Schwester nichts bedeute und sie sie nicht vergewaltigen und töten müssten, um ihm zu schaden. Ein anderes Mal erklärte er, er habe der Schwester durch das Erdrosseln die Folter seiner Verfolger ersparen wollen.
Mit dem Urteil folgte das Gericht weitgehend der Forderung der Staatsanwaltschaft. „Mildere Mittel als eine Unterbringung kommen nicht in Betracht“, sagte der Staatsanwalt während seines Schlusswortes, „der Beschuldigte hat mit Tötungsvorsatz gehandelt“. Dass das Opfer ohne ernste Verletzungen davongekommen ist, sei nur dem raschen Eingreifen der Zeugen zu verdanken gewesen.
Die Verteidigung wertete die Tat anders und forderte einen Freispruch. „Mein Mandant ist schuldunfähig“, erklärte der Anwalt. Und eine unbefristete Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie, was auch lebenslänglich bedeuten könne, sei angesichts der Tat nicht verhältnismäßig.
Für den Angeklagten bedeutet das Urteil, dass er sich einer unbefristeten Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu unterziehen hat. Zu dieser Vorgehensweise gebe es aus Sicht des Gerichts keine Alternative, sagte der Richter Winkelmann. Das Ziel sei es jedoch nicht, den Mann lebenslang einzusperren, sondern ihn irgendwann wieder in die Freiheit entlassen zu können. Philipp Braitinger