Zwischen Neckar und Alb

In den meisten Bächen wuselt es

Neue Untersuchung der Gewässergüte im Landkreis – Viele Flüsse haben guten ökologischen Zustand

Zuletzt sind die Fließgewässer im Landkreis flächendeckend in den 1990er-Jahren untersucht worden. Doch seither ist viel passiert.

Für eine hohe Gewässergüte ist die Ansiedlung von wirbellosen Tieren ein Indikator. Wie man sie findet, zeigt Expertin Sarah Löb
Für eine hohe Gewässergüte ist die Ansiedlung von wirbellosen Tieren ein Indikator. Wie man sie findet, zeigt Expertin Sarah Löber.Foto: Bulgrin

Kreis Esslingen. Kinder spielen auf dem Spielplatz am Wasser und springen auch mal über die großen Steine im Bach, an dessen Ufern es eifrig grünt: Der Abschnitt des Reichenbachs direkt am Rathaus ist ein Idyll, das laut Bürgermeister Bernhard Richter von den Bürgern auch gut angenommen wird. Die hohe Aufenthaltsqualität hat sich die Gemeinde etwas kosten lassen: Ab Herbst 2013 wurde der zuvor gerade Bach im künstlichen Bett wieder renaturiert. Nun liegt mitten im Ort ein Ruhebereich, den Jung und Alt nutzen – und der auch mit seiner ökologischen Qualität punkten kann. Das zeigt die neue kreisweite Untersuchung der Gewässergüte, deren Ergebnisse gestern am Reichenbach vorgestellt wurden.

In dem Bachabschnitt am Rathaus fühlen sich Tiere sichtlich wohl, wie Sarah Löber vom Büro am Fluss in Wendlingen demonstrierte. Von Februar bis April 2015 untersuchte die Expertin an 175 Stellen im Landkreis, was sich in den Flüssen und Bächen an wirbellosen Tieren tummelt. Dazu stieg sie ins Wasser, hielt einen Kescher entgegen der Strömungsrichtung und wirbelte den Untergrund auf. 20 solcher Proben entnahmen sie und ihre Kollegen in jedem Untersuchungsabschnitt und überprüften im Labor, wie viele und welche kleine Tierchen in dem Gewässer leben. In der weißen Wanne fanden sich beim Pressetermin etwa Larven von Eintagsfliegen, Bachflohkrebse, kleine Schnecken, aber auch eine Groppe, ein kleiner Fisch, der ein Merkmal für gute Strukturen ist.

Die wirbellosen Tiere sind der wichtigste Indikator für die ökologische Bewertung der Gewässer. Zwar wurden auch physikalisch-chemische Parameter wie Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt oder pH-Wert erfasst. „Das sind aber nur Momentaufnahmen“, erklärt Beate Baier vom Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz des Landratsamtes. Diese Werte könnten schwanken, die Tiere sind dagegen die ganze Zeit da.

372 Bäche und Flüsse fließen im Landkreis. 102 davon wurden in möglichst repräsentativen Abschnitten von 20 bis 50 Metern Länge bei den biologischen Untersuchungen des Büros am Fluss berücksichtigt. Der große Neckar gehört nicht dazu, allerdings fällt er unter Landesaufsicht und wird regelmäßig überprüft. Laut Bericht erhielten viele Bäche des Schurwaldes, der Oberlauf der Lauter, die Schaich und einige andere sehr gute Bewertungen ihres ökologischen Zustands. Fast immer verliefen sie im Wald jenseits von Siedlungen und Äckern.

Gewässer auf den Fildern schnitten dagegen meist mäßig bis schlecht ab. Der Fleinsbach zwischen Neuhausen und Sielmingen hat etwa an einigen Stellen einen schlechten ökologischen Zustand bescheinigt bekommen. Das liege an der Besiedlungsdichte und starken landwirtschaftlichen Nutzung, erklärt Beate Baier. „Dazu kommt, dass die beeinträchtigten Flächen schon an den Oberläufen liegen.“ Deswegen lässt dort die höhere ökologische Qualität trotz Renaturierungen und Verbesserung bei der Gewässerableitung noch auf sich warten. „Man muss mit der Biologie Geduld haben“, so Baier.

Weil sich die Richtlinien für die Messungen mittlerweile geändert haben, konnten die aktuellen Ergebnisse nur in einem Punkt mit denen aus den 1990er-Jahren verglichen werden: die Belastung der Gewässer durch organisch abbaubares Material. Hier schneiden alle Flüsse und Bäche gut oder sehr gut ab. Die Hälfte ist im selben Zustand wie vor 20  Jahren, ein Drittel hat sich verbessert und nur ein kleiner Teil verschlechtert. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte Beate Baier. Man wolle mit den Kommunen, die für einen Großteil der Bäche und Flüsse im Landkreis verantwortlich sind, weiterarbeiten.

Als Methoden, die Gewässerqualität weiter zu erhöhen, nennt der Bericht etwa Verbesserung der Abwasserreinigung, weitere naturnahe Umgestaltungen der Flüsse sowie Gewässerrandstreifen, durch die die Verschmutzung mit Pflanzenschutzmitteln von Äckern reduziert werden kann. Die Kosten der Untersuchungen und die zugehörige Broschüre wurden zur Hälfte von den Kommunen im Landkreis getragen, 50 Prozent wurden durch die „Glücksspirale“ des Landes gefördert.

Die Broschüre zur Untersuchung und detaillierte Karten sind auf der Homepage des Landkreises unter www.landkreis-esslingen.de abrufbar.

Lernorte für Schüler

Unterricht: Nicht nur die Gewässerqualität wurde im vergangenen Jahr landkreisweit analysiert. Im selben Zug schauten die Experten, welche Fluss- und Bachläufe sich auch für den Schulunterricht zum Thema Gewässer gut eignen. 29 sogenannte Lernorte im ganzen Kreisgebiet haben die Experten nun festgelegt. Sie sind leicht zugänglich, nicht gefährlich, es gibt etwas zu sehen und der Naturschutz wird durch die Schüler nicht beeinträchtigt. Jungen und Mädchen könnten sich hier ein Bild davon verschaffen, was Gewässer bedeuten und wie sie funktionieren, sagte die Erste Landesbeamtin Marion Leuze-Mohr bei der Vorstellung des Projekts. „Ich denke, das ist etwas, was man nachhaltig einsetzen kann.“ Steckbrief: Lehrern, die Unterricht an einem der Lernorte geben möchten, stellt das Landratsamt Einstiegshilfen zur Verfügung, es gibt Steckbriefe zu jedem der Lernorte. Sie sind auf der Homepage des Landratsamtes abrufbar unter www.landkreis-esslingen.de. gg