Zwischen Neckar und Alb

Inklusiv statt exklusiv

Mode Als Daniel Kowalewski vor zwei Jahren sein kleines, inklusives Textilunternehmen Wasni eröffnete, wollte er zeigen, „dass wir auch mit einer nicht alltäglichen Belegschaft wirtschaftlich arbeiten können“. Das hat funktioniert. Von Claudia Bitzer

Deutschland, Baden-Wuerttemberg, Esslingen, die Mitarbeiter des fuer Menschen mit Behinderung integrativen Textilunternehmens "W
Foto: Roberto Bulgrin
foto: roberto bulgrin08. 05. 2017Esslingen, Firma Wasni hat Stuttgarter Gruenderpreis fuer Unternehmen im sozialen Bereich gewon
Foto: Roberto Bulgrin

Mittlerweile nähen fünf Frauen mit und ohne Handicaps in der kleinen Manufaktur in der Esslinger Küferstraße Hoodys, Sweater und Jacken aus Bio-Baumwolle - keine bleibt unterm Mindestlohn. Das 3 000. Baumwollexemplar ist über die Ladentheke gegangen, im Mai hat eine Jury Wasni zum besten Jung-Sozialunternehmen im Ländle 2017 gekürt.

foto: roberto bulgrin08. 05. 2017Esslingen, Firma Wasni hat Stuttgarter Gruenderpreis fuer Unternehmen im sozialen Bereich gewon
Foto: Roberto Bulgrin

Die Stimmung stimmt. Nadine Feist, gelernte Modedesignerin und Maßschneiderin, kommt mit der zugeschnittenen Kapuze zu Daniel Kowalewski und bittet ihn, die Öse für die Kordel in den Stoff zu stanzen. „Gut, dass wir nicht die große Stanzmaschine gekauft haben, sonst hätte der Daniel gar nichts zu tun“, lässt sie ihrem Chef von Lehrling Rebecca Peter ausrichten. Der 41-jährige Betriebswirt und alleinige Gesellschafter der gemeinnützigen GmbH grinst. Immerhin trägt er die Verantwortung für ein Unternehmen mit mittlerweile fünf Mitarbeiterinnen zwischen 18 und 55 Jahren - mit und ohne körperliche oder kognitive Beeinträchtigungen.

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Foto: Roberto Bulgrin

„Hier habe ich deutlich mehr Verantwortung als ich es sonst als ausgebildete Modedesignerin hätte“, freut sich die 1,30 Meter große Nadine Feist (23) immer noch über ihren „Traumjob“. Zusammen mit ihr und der gehörlosen Modeteilnäherin Yaprak Cukurova (26) hat Kowalewski vor knapp zwei Jahren angefangen, in dem ehemaligen Kunsthaus Huggele Kapuzenpullis, Sweatshirts und Jacken nach einem Baukastenprinzip zu entwerfen, zu schneidern und an die Kundschaft zu bringen.

Mittlerweile stehen mit Rebecca Peter, die bei Wasni den praktischen Teil ihrer Ausbildung zur Modenäherin beim Berufsbildungswerk Waiblingen ablegt, und einer schwerbehinderten Mitarbeiterin zwei weitere Frauen auf der Gehaltsliste. Dazu kommt noch Modenäherin Rosi Stoll, die aufgrund ihres Alters von 55 Jahren nicht sofort ins Blickfeld eines Arbeitgebers rückt.

Dass er alle sozialversicherungspflichtig beschäftigt und ihnen mindestens den Mindestlohn zahlen kann - das war Kowalewskis Ziel, als er im September 2015 die Räume in der Küferstraße 52 bezog. Nicht zuletzt dank eines netten Vermieters, der ihm einen „vernünftigen Preis“ gemacht hat, scheinen seine Rechnungen aufzugehen. Seine Geschäftsidee hat schon für viel Aufsehen gesorgt. Die Aktion Mensch hat ihm und seinem Team eine Geschichte gewidmet, zuletzt hat Wasni den ersten Preis beim landesweiten Gründerwettbewerb Elevator Pitch BW - Social Impact Lab in Stuttgart gewonnen, den das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit Partnern für Jungunternehmen und Gründer aus dem Sozialbereich ausgerichtet hat.

Kowalewski ist zwar Betriebswirt, aber er stand in dieser Funktion zuletzt bei Carl Zeiss in Oberkochen auf der Gehaltsliste, mit Textilien hatte er nichts am Hut. Als er im Radio einen Bericht über den Bundesfreiwilligendienst gehört hatte und dort geklagt wurde, dass es vor allem an „älteren“ Bufdis über 27 Jahren fehle, bewarb er sich bei der Rohräckerschule, die ihn ein Jahr lang als pädagogische Hilfskraft einstellte. Dort ist ihm aufgefallen, dass sehr viele Menschen mit Handicaps sehr spezifische Talente haben - und damit in einer Behindertenwerkstatt unterfordert sind, auf dem ersten Arbeitsmarkt aber kaum eine Chance haben. So kam er auf die Idee, das erste bundesdeutsche Sozialunternehmen im Textilbereich zu gründen.

Der Name Wasni, den er dafür fand, steht für den Anspruch: Wenn anders sein normal ist. Mindestens 40 Prozent der Belegschaft in seinem Inklusionsunternehmen, das rechtlich noch unter dem Wort Integrationsunternehmen firmiert, müssen schwerbehindert sein. Stellt er Mitarbeiter mit Handicaps ein, kann er einen Investitionskostenzuschuss für Nähmaschinen oder Ähnliches beantragen. Weil sein Unternehmen gemeinnützig ist, müssen die Gewinne wieder in die Firma fließen. Dafür werden nur sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig, und er kann Spendenbescheinigungen ausstellen. Er bekommt für die betreffenden Mitarbeiterinnen zwar einen Eingliederungszuschuss vom Arbeitsamt, aber alles andere muss er über den Umsatz erwirtschaften.

Und weil anders sein nicht nur für die Belegschaft, sondern auch für die Kundschaft gelten soll, sind auch alle willkommen, bei denen man an der einen oder anderen Stelle ein paar Zentimeter gegenüber dem Normmaß abweichen muss. Im Laden hängen Muster von XS bis XXXXXL, auch Kindermodelle gehören ins Programm. Auf dem Tisch davor kann man das Baukastensystem sehen. Jedes Modell hat den gleichen Grundschnitt, unterscheidet sich aber in Kapuze, Halsbündchen oder Schalkragen, wird mit teilbarem Reißverschluss zur Jacke oder mit farblich abgesetzten Bündchen und leuchtendem Innenfutter zum Hingucker-Sweater. Der Kunde kann sich alles selbst zusammenstellen, die Baumwolle trägt ein Öko-Zertifikat. Und er kann sich vermessen und seine Daten speichern lassen. „Die Stofffrage habe ich am Anfang am meisten unterschätzt“, erzählt Kowalewski. Mittlerweile hat er einen Anbieter gefunden, mit dem er zufrieden ist. Aber sicherheitshalber lässt er von jeder neuen Rolle ein Kinderkleidungsstück machen, das auf Einlaufen und Farbe geprüft wird.

Hat der Kunde bestellt, darf er in zwei bis drei Wochen mit seinem Wunschstück rechnen. „98 Prozent unserer Kunden müssen wir nicht vermessen“, sagt der Chef. In der Regel beschränken sich die meisten Abweichungen auf ein paar Zentimeter mehr oder weniger an Ärmel- oder Rumpflänge. Aber auch ein paar Zentimeter mehr oder weniger in der Taille liegen durchaus im Preis, der sich zwischen 59 und 79 Euro bewegt. T-Shirts sind preisgünstiger. Die älteste Bestellung bestimmt die Farbe, die als nächstes dran ist. Dann werden über ein CAD-Programm alle Einzelteile der Bestellungen als Schnittmuster zusammengestellt, die für diese Stofffarbe eingegangen sind. Ein Plotter druckt die Anordnung der Schnittteile auf beschichtetem Papier aus, das dann auf dem Zuschneidetisch auf die Stoffbahn gebügelt wird. So können die Mitarbeiterinnen jedes einzelne Teil ausschneiden, und der Abfall bleibt überschaubar. Dann wandern die Teile in einzelnen Modell-Kisten ins Ladengeschoss, wo sie an fünf verschiedenen Stationen zusammengenäht und mit Innenfutter und Bündchen versehen werden.

Daniel Kowalewskis nächstes Ziel ist ein bundesweiter Onlineshop, der im August oder September an den Start gehen soll. Dank eines Konfigurators kann man sich dann zu Hause am Computer seinen Wunsch-Hoody auf der Basis seines persönlichen Kundenprofils zusammenstellen. Diesen Schritt will er im Rahmen einer Crowdfunding-Aktion mithilfe von Spendern und Kunden stemmen. Und hat dafür auch schon eine beachtliche Summe zusammen. Sein Ziel: mehr Bestellungen und eine Verdoppelung des Personals. „Ich will, dass wir für jede Mitarbeiterin aus dem Mindestlohn einen zweistelligen Betrag machen können.“ Bislang ist Kowalewski auch ohne Darlehen ausgekommen. Er sagt: „Lieber langsam wachsen als schnell untergehen.“

3 Weitere Infos rund um das Unternehmen gibt es im Internet unter www.wasni.de