Zwischen Neckar und Alb
Innung bekommt Deizisauer Meisterin: Der rote Faden ist ihre Leidenschaft

Handwerk Birgit Brodbeck aus Deizisau ist neue Landesinnungsmeisterin im Maßschneiderhandwerk. Die Zukunft ihres Berufsstandes ist allerdings nicht rosig. Von Gaby Weiß

Birgit Brodbeck ist Schneiderin aus Leidenschaft: „Ich liebe meinen Beruf aus vollem Herzen.“ Sie hat ihre Ausbildung in der Textilindustrie absolviert und anschließend auf der Staatlichen Modeschule die Ausbildung zur Entwurfs- und Schnittdirektrice abgeschlossen. 1999 hat sie sich als Schneidermeisterin in Oberboihingen selbstständig gemacht, und sie näht seit 2016 in ihrem

 

Wenn ich etwas mache,
dann mache ich es richtig.
Birgit Brodbeck
Schneidermeisterin

 

Modeatelier in Deizisau Kostüme, Röcke, Blusen, Anzüge, Abendkleider und Hochzeitsmode. Kürzlich wurde die 58-Jährige zur neuen Landesinnungsmeisterin gewählt und vertritt nun im Landesinnungsverband der Maßschneider Baden-Württemberg rund 100 Kolleginnen und Kollegen.

„2001, im zweiten Jahr als Selbstständige, habe ich erstmals den Kontakt zur Innung gesucht. Die damalige Innungsobermeisterin Ursula Rauer hat mich als junge Kollegin an die Hand genommen und mich in vielen Dingen beraten. Über sie bin ich in die Innungsarbeit hineingerutscht“, erzählt Birgit Brodbeck.

Seit zehn Jahren ist sie nun selbst Obermeisterin der Damen- und Herrenschneider-Innung Esslingen-Göppingen. „Die Arbeit in der Innung ist eine schöne Aufgabe, weil man dabei ganz viele Kolleginnen und Kollegen kennenlernt. Wir sind eine kleine, aber feine Innung, in der man sich gegenseitig unterstützt. Man weiß, wen man anrufen kann, wenn man einen Rat braucht“, hat Birgit Brodbeck festgestellt. Trotzdem hat sie es sich zweimal überlegt, in der Nachfolge von Edith Kuhn für das Ehrenamt der Landesinnungsmeisterin zu kandidieren, für das es keinerlei Aus- oder Fortbildung gibt: „Ich habe das große Glück, dass mir Peter Haas, Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerkstages, der selbst aus dem Textilbereich kommt, seine Unterstützung angeboten hat. Er hat mich bestärkt, und wir haben sehr gute Gespräche geführt.“ 

Birgit Brodbeck will einen kommunikativen Stil pflegen. Gemeinsam mit ihren beiden Stellvertreterinnen Diana Kempf und Elke Stroh will sie im Vorstand des Landesinnungsverbandes sachgebunden, zielführend und pragmatisch agieren: „Corona hat uns gezeigt, dass man auch online tagen kann, das spart viel Zeit. Wir sind ein gutes Team, und wir verteilen die Aufgaben auf mehrere Schultern.“

Während die Aufnahme in die Handwerkskammer für Handwerker obligatorisch ist, ist die Mitgliedschaft in der Innung freiwillig. Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben für die Zukunft sieht Birgit Brodbeck, den Landesverband organisatorisch neu aufzustellen: „Mit weniger Verwaltungsaufwand und damit kostengünstiger, es stehen mehrere Modelle im Raum.“ Zu den Themen, die das Vorstandsteam darüber hinaus beschäftigen, zählt auch die Aussetzung der Meisterpflicht fürs Schneiderhandwerk: „Heute kann sich jede Hobbyschneiderin selbstständig machen. Das ist für das Renommee unseres Berufs nicht förderlich“, betont Brodbeck. Auch um den Nachwuchs sei es nicht gut bestellt, in der Innung Esslingen-Göppingen bildet kein Selbstständiger mehr aus: „Seit es das Mindestausbildungsvergütungsgesetz gibt, können wir uns das schlicht nicht mehr leisten“, weiß Brodbeck aus eigener Erfahrung. Dabei melden sich immer wieder junge Menschen, die das Schneiderhandwerk lernen möchten, denen dann jedoch nur der Weg an eine staatliche oder private Modeschule bleibt.

Obwohl sich Birgit Brodbeck als optimistischen Menschen bezeichnet, sieht sie die Zukunft ihres Berufsstandes alles andere als rosig: „Früher kamen Wanderschneidereien gegen Kost und Logis ins Haus und nähten alles, was angefallen ist. Irgendwann begann die Industrialisierung und Konfektionsfertigung, mittlerweile wird der Markt von billiger Ware aus Asien überschwemmt.“

Die Coronapandemie habe das Schneiderhandwerk zudem schwer getroffen: „Hochzeiten, Feiern und Jubiläen wurden abgesagt, da hat kaum jemand schöne neue Kleider gebraucht.“ Umso mehr liegt es Birgit Brodbeck am Herzen, für ihren Beruf die Werbetrommel zu rühren: „Viele Menschen meinen, dass maßgeschneiderte Arbeit sehr teuer ist. Wer aber ein Brautkleid von der Stange aufwendig ändern lassen muss, kann es gleich maßschneidern lassen. Und dann hat die Braut ein passgenau auf sie zugeschnittenes Unikat.“

 

Maßschneider bieten typgerechte Beratung

Die Vorteile von auf Maß geschneiderter Kleidung kennt die Landesinnungsmeisterin Birgit Brodbeck aus Deizisau: „Eine gelernte Schneiderin, die ihr Handwerk versteht, bietet eine typgerechte Beratung und geht dabei auf die ganz persönlichen Wünsche ein. Dann vermisst sie den Körper exakt, berät bei der Stoff- und Modellauswahl, entwickelt den Schnitt und kalkuliert einen festen Preis, bevor sie sich schließlich an die handwerkliche Umsetzung macht.“ gw