Zwischen Neckar und Alb

Ins IHK-Gebäude ziehen Flüchtlinge ein

Stadt Nürtingen nimmt befristetes Mietangebot an und informiert die Bürger

Bereits Anfang Juli sollen in das Gebäude der Industrie- und Handelskammer in der Nürtinger Bismarckstraße Flüchtlinge einziehen. Die Stadt muss für jene, die ein Bleiberecht haben, für Wohnraum sorgen, sollten sie selbst keinen finden. Dazu gab es am Dienstagabend in der Glashalle des Rathauses einen Informationsabend.

Ab Juli sollen diese beiden Häuser samt Verbindungsbau für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stehen. Fot
Ab Juli sollen diese beiden Häuser samt Verbindungsbau für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stehen. Foto: Jürgen Holzwarth

Nürtingen. Bürgermeisterin Claudia Grau begrüßte circa 30 Interessierte. Bei der Unterbringung in den Gebäuden an der Bismarckstraße handle es sich um ein Provisorium". Es ist nicht die absolute Zahl der Flüchtlinge, sondern die Kürze der Zeit“, so die Bürgermeisterin. Bei der Anschlussunterbringung handle es sich um eine Pflichtaufgabe der Kommunen, während die Erstunterbringung Sache des Landkreises ist.

Ist über das Bleiberecht von Flüchtlingen entschieden, müssen sie aus der Erstunterbringung wie zum Beispiel der Säerturnhalle oder dem Containerdorf an der Kanalstraße ausziehen. Finden sie keine Unterkunft, was zunächst bei den meisten der Fall sein wird, muss die Stadt ihnen ebenso wie allen anderen Obdachlosen eine Unterkunft stellen. Dafür wird sie entschädigt, in der Regel aus dem Geld, das Hartz-IV-Empfängern vom Jobcenter an Kosten für Unterkunft zugestanden wird. Darüber hinaus ist die Stadt mit ihrem Sozialen Dienst zuständig für die Betreuung dieser Menschen.

In der Bismarckstraße sollen 45 bis 47 Personen untergebracht werden. Damit, so Grau, könne man den Bedarf für das erste Halbjahr, in dem monatlich acht Flüchtlinge zugewiesen werden, erfüllen. Im zweiten Halbjahr seien es dann aber 32 pro Monat, weshalb weitere provisorische Unterkünfte in Planung seien. Außerdem werde die Stadt noch in diesem Jahr an der Metzinger Straße auf eigenem Grund mit dem Bau von Wohnungen für insgesamt 48 Personen beginnen, allerdings in einem Standard, der später auch für kostengünstiges Wohnen zur Verfügung stehen soll. Ein weiteres Gebäude ist an der Gerberstraße geplant.

Der IHK sei man dankbar für die Bereitschaft, vorübergehend an die Stadt sehr günstig zu vermieten, so Grau. Die IHK hätte nach ihrem Umzug in das Gebäude „Stadtportal am Neckar“ die nicht mehr benötigten Immobilien jetzt schon verkaufen können, sagte Hilde Cost, Geschäftsführerin der IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen. Die IHK habe sich aber auch verpflichtet gefühlt, die Wohnraumnot abzufedern, zumal man selbst mit verschiedenen Angeboten versuche, Flüchtlinge für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren.

Eckart Krüger vom städtischen Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft Nürtingen (GWN) erläuterte die Pläne. Weil nur eine befristete Nutzung bis Ende 2018 möglich ist, werde man die ehemaligen Büroräume mit möglichst geringem Aufwand umbauen. In den beiden älteren Gebäuden sollen überwiegend Zweibettzimmer und wenige größere Zimmer entstehen, dazu möglichst auf jedem Stockwerk eine Küchenzeile. Der größte Aufwand sei der Einbau sanitärer Einrichtungen. Insgesamt wird mit 200 000 Euro gerechnet. Den neueren Flachdachbau wolle man als Gemeinschaftsraum nutzen.

Aus der Zuhörerschaft gab es Bedenken, offensichtlich vor allem von Anwohnern. Dass der Brandschutz ein Problem sein könnte, verneinte Krüger allerdings, das sei mit der Feuerwehr abgeklärt. Mit Schulen in unmittelbarer Nähe handle es sich um ein sensibles Gebiet, hieß es vonseiten der Zuhörer, was auf die Sorge vor eventuellen Übergriffen hinweisen sollte.

Pit Aurenz, Sprecher der Initiative für die Flüchtlinge in der Säer-Turnhalle und selbst Anwohner der Bismarckstraße, wollte diese Bedenken ebenso ernst nehmen wie Bürgermeisterin Grau. Aurenz betonte aber auch: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sehr viel Positives zurückkommt, wenn man auf die Menschen offen zugeht.“ Für Grau gehört dazu auch, die eigenen Werte zu verdeutlichen: „Wir müssen auch klarmachen, wie man sich hier verhält, auch Frauen gegenüber.“ Neben dem Ehrenamt stehe dafür professionelle Unterstützung bereit in Form einer halben Personalstelle, so Annette Bürkner, die Leiterin des Nürtinger Amtes für Bildung, Soziales und Familie.

Vielen Anwohnern wäre es am liebsten, wenn vor allem Familien untergebracht werden. Dem hielt Grau entgegen: „Das ist der Wunsch in allen 44 Landkreisgemeinden, tatsächlich sind es aber zu 80 Prozent jüngere Männer, die gekommen sind.“ Zu zwei Dritteln stammen sie aus Syrien, zu zehn Prozent aus Afghanistan, aus den Balkan-Ländern seien es indes nur noch gut fünf Prozent.

Grau schloss mit dem Appell, offen gegenüber Fremdem zu sein. Gleichzeitig bot sie aber auch an: „Kommen Sie frühzeitig auf uns zu, wenn sich Probleme anbahnen.“