Kreis Esslingen. Gemächlich setzt sich die Gruppe in Bewegung, die am Bissinger Rathaus aus dem Bus steigt. Gleich hinter dem Ort führt der Weg etwas bergan in die Streuobstwiesen. Wer sich umdreht, hat einen schönen Blick auf den Weilheimer Hausberg, die Limburg. Immer wieder wird gewartet auf diejenigen, die langsamer hinterherkommen. Nur so funktionieren die Wanderungen: Man nimmt Rücksicht. „Fast jeder hier hat irgendein Handicap“, weiß Dieter Klein, Vorsitzender der Ortsgruppe Kirchheim im SAV. Ob Knie, Hüfte, Augenleiden oder dass es einer „schwer verschnauft“. Klein bedauert, dass nur ab und zu jemand mit Demenz hinzustößt. Woran das genau liegt, kann er nicht sagen.
In Plochingen hat man da etwas andere Erfahrungen gemacht. 2014 aus der Demenzkampagne entstanden, seien nach wie vor jedes Mal demenziell Erkrankte dabei, sagt Karin Krämer. „Meist kommen sie mit Angehörigen. Selten ist jemand dabei, der speziell eine Betreuung braucht“, erklärt Krämer, die das Angebot für die Stadt Plochingen koordiniert. Möglich ist das ausdrücklich. Allerdings sagt Krämer, dass vorwiegend Menschen mit beginnender Demenz teilnehmen, bei denen sich die Krankheit erst durch Vergesslichkeit bemerkbar macht.
„Es ist ein unauffälliges Angebot“, macht Barbara Schmid vom Krankenpflegeverein Nord in Esslingen deutlich. Sie bietet gemeinsam mit der Esslinger SAV-Ortsgruppe auch entsprechende Wanderungen an. Es sei ja nicht gleich sichtbar, wenn jemand dement ist. Sie wisse auch von Teilnehmern mit Depressionen oder Angststörungen. „Ihnen ist das auch nicht ins Gesicht geschrieben“, sagt Schmid. Das Esslinger Angebot sei deshalb von Beginn an offen für alle gewesen. Vor allem Hochbetagte wanderten gern mit, weil es nicht leistungsorientiert ist, weiß Schmid. „Da ahnt man vom anderen, dass jeder sein Päckle zu tragen hat.“
Bei der 24-köpfigen Gruppe, die an diesem heißen Vormittag rund um Bissingen unterwegs ist, schätzen alle die Vorzüge der Gruppe. Die 83-jährige Waltraud Ziesmann kann endlich mal wieder mit. Sonst hat sie am Donnerstag immer Gymnastik. Und die möchte sie nicht sausen lassen. „Man muss dranbleiben“, sagt die rüstige Seniorin, schiebt dann aber nach: „Man merkt im Alter schon, dass die Kräfte nachlassen.“ Früher waren ihre Wanderungen deutlich anspruchsvoller. Sie selbst könne aus der Natur wunderbar neue Kraft schöpfen.
Ein Stückchen weiter hält die Gruppe im Schatten eines Baumes an. Der Blick reicht bis zu den Drei Kaiserbergen. Wanderführerin Renate Steegmaier von der Ortsgruppe Bissingen-Nabern erhält Lob für die schöne Runde, die sie ausgewählt hat. „Bei uns geht es eben immer nauf“, antwortet sie beinahe entschuldigend. Aber selbst diejenigen, die ins Schnaufen kommen, sind zufrieden. „Für mich ist das Tempo perfekt“, bestätigt selbst eine Mittfünfzigerin aus Beuren, die zum ersten Mal mitmarschiert.
Das Klackern von Wanderstöcken begleitet die Gruppe. „Ich bin froh, dass ich die habe“, sagt Erika Schwaiger. Die 74-Jährige sieht nicht mehr gut, seit sie mehrfach am Kopf operiert wurde. Sobald es uneben wird, kommt die Unsicherheit. Da geben die Stöcke Halt – und die Gemeinschaft. „In der Gruppe traut man sich viel mehr“, sagt die Rentnerin. Wie zur Bestätigung ruft eine andere: „Erika, hier sind wieder Stoi!“ Die meisten Teilnehmer kennen sich seit Jahren und wissen um ihre Handicaps.
Auf 15 bis 20 Teilnehmer habe es sich eingespielt, erzählt Dieter Klein. Mit dabei ist auch ein speziell geschulter Wanderbegleiter. Dieser würde im Notfall mit jemandem umkehren, wenn es zu beschwerlich wird. An diesem Tag bildet Inge Schweizer die Nachhut und schaut, dass alle mitkommen. Den vorzeitigen Heimweg antreten musste sie bisher noch nie. Trotzdem sind die Teilnehmer froh, als nach gut anderthalb Stunden der Bauernhof der Familie Oelkrug auftaucht. Dort, im Bauernhofcafé Viehweide, erwartet sie ein Mittagessen. „Die Einkehr ist allen immer wichtig“, weiß Dieter Klein. Schließlich gehört das zur Geselligkeit. Als Partnerbörse taugt die Gruppe hingegen nicht, stellen ein paar Seniorinnen augenzwinkernd fest. Die meisten Wandersleut’ sind weiblich.