Zwischen Neckar und Alb

Kein Rezept gegen den Hausarzt-Mangel

Kassenärztliche Vereinigung hält Versorgung für gut – Kreispolitiker sehen Entwicklung mit Sorge

In manchen Orten gibt es bereits Probleme mit der medizinischen Versorgung. Doch rein statistisch gesehen ist der Landkreis Esslingen noch gut mit Hausärzten ausgestattet.

Kreis Esslingen. Einiges deutet da­rauf hin, dass sich die Situation bezüglich der medizinischen Versorgung im Kreis Esslingen in den nächsten Jahren deutlich verschlechtern wird. Im Sozialausschuss des Kreistags meldeten sich besorgte Stimmen zu Wort. Aber eine Lösung hatte keiner parat, nur die Erkenntnis, dass Bund und Land gefordert seien, bessere Bedingungen für Hausärzte zu schaffen.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg hat bei ihrer Bedarfsplanung für die hausärztliche Versorgung den Landkreis nun in vier Mittelbereiche eingeteilt: Esslingen, Kirchheim, Nürtingen und Stuttgart. Letzterer wurde dem Landkreis Esslingen zugeschlagen, weil nach der KV-Gliederung zur Landeshauptstadt auch Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen zählen. Am besten schneidet der Raum Kirchheim ab, dort gibt es laut Statistik pro 1 551 Einwohner einen Hausarzt, was einem Versorgungsgrad von 109 Prozent entspricht (Stand: Juni 2014). Stuttgart folgt mit einer Quote von 1 zu 1 596 und 106 Prozent. Im Bereich Nürtingen kommen auf einen Allgemeinmediziner 1 665 potenzielle Patienten. Das bedeutet einen Versorgungsgrad von 101 Prozent. Am schlechtesten schneidet der Raum Esslingen mit 93 Prozent ab. Hier entfallen auf einen Hausarzt 1 790 Patienten. Die KV begründet diesen Mangel damit, dass gerade im Bereich Esslingen viele Fachärzte angesiedelt seien, die den Mangel an Allgemeinmedizinern „vermutlich kompensieren“.

Seit Herbst 2014 sind der Landkreis Esslingen sowie die Stadt Plochingen auf der Internetseite des Hausärzteverbandes (www.perspektive-hausarzt-bw.de) präsent. Doch werden auf der freiwilligen Plattform nur für sieben Allgemeinpraxen Nachfolger gesucht: drei in Esslingen und jeweils eine in Plochingen, Bempflingen, Weilheim und Neckartailfingen.

Nach Einschätzung der KV wird die Zahl der Hausärzte weitgehend stabil bleiben. Dennoch werde sich wegen der vermehrten Nachfrage nach Teilzeitjobs und einer kalkulierbaren Wochenarbeitszeit der „Output“ reduzieren. 70 Prozent der Absolventen an medizinischen Fakultäten sind weiblich. Und gerade Frauen strebten mehr Teilzeitarbeit an. Im Gesundheitsamt des Landkreises ist das nicht viel anders. „65 Prozent unserer Ärztinnen arbeiten in Teilzeit“, berichtete Amtschef Walter Kontner.

Oberflächlich betrachtet gebe es noch eine recht gute Hausarzt-Versorgung, sagte Joachim Dinkelacker (Freie Wähler), der selbst drei Jahrzehnte als Hausarzt praktiziert hat. Die hohen Einkommensverluste nach mehreren Gesundheitsreformen sieht er als Hauptgrund, dass der Beruf immer unattraktiver wird. Das passe nicht mit der Verantwortung und der hohen zeitlichen Belastung zusammen. Auf die Frage von Landrat Heinz Eininger, welches Rezept er verschreiben würde, musste Dinkelacker passen: „Wir können gar nichts tun. Es muss mehr Weisheit ins System.“ Ursula Merkle (CDU) beobachtet, dass in Esslingen immer mehr Patienten von Fachärzten aus Kapazitätsgründen abgewiesen werden. Sorge bereitet ihr, dass viele Psychotherapeuten bald in Rente gehen. Gerade da entstünden Engpässe, weil die Zahl der psychischen Erkrankungen stetig steigt. Erich Bolich (SPD) berichtete, wie schwer man sich in Neuhausen tut, Nachfolger für Arztpraxen zu finden. Dramatisch sei die Situation in Pflegeeinrichtungen, erklärte Wolfgang Latendorf (Grüne). Positive Erfahrungen habe man mit einem Modellversuch der AOK gemacht. Landrat Eininger verwies auf mehrere Initiativen, die der Landkreis gestartet habe, unter anderem eine Gesundheitskonferenz. Seine ernüchternde Erkenntnis: „Die öffentliche Hand kann da nur begrenzt einwirken.“