Zwischen Neckar und Alb

Keine Angst vor dem bösen Wolf

Wildtiere Im Landkreis Esslingen gab es bislang zwar noch keine Wolf-Sichtungen, doch die Schwäbische Alb könnte als Lebensraum taugen. Von Philip Sandrock

Keine Angst, dieses Bild wurde in einem Tierpark aufgenommen. In freier Wildbahn bekommt man im Landkreis Esslingen wohl so bald
Keine Angst, dieses Bild wurde in einem Tierpark aufgenommen. In freier Wildbahn bekommt man im Landkreis Esslingen wohl so bald keinen Wolf zu Gesicht. Foto: Carsten Riedl

Der Wolf ist zum Politikum geworden - erst kürzlich wurde im baden-württembergischen Landtag darüber diskutiert, ob man das streng geschützte Raubtier ins Jagdrecht aufnehmen soll. Dabei ist der Wolf, mit Ausnahme weniger Sichtungen, noch gar nicht ins Land zurückgekehrt. Im Landkreis Esslingen und am Albtrauf sind bislang gar keine Tiere aufgetaucht. Für den Wolf könnte es hier auch eng werden: „In Ballungsräumen wird es das Tier schwer haben“, sagt der Wildtierbeauftragte des Landkreises Esslingen, Sascha Richter. Im Kreis durchschneiden dicht befahrene Straßen und Bahnstrecken die Landschaft. Am südlichen Rand sehe es allerdings anders aus: „Grundsätzlich gilt die Schwäbische Alb als möglicher Lebensraum“, so Sascha Richter.

Truppenübungsplatz zu klein

Das bestätigt auch Felix Böcker von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg. Die Einrichtung erforscht die Wanderung von Wildtieren im Ländle. Man wisse aus Norddeutschland, dass sich Wölfe dort zuerst auf Truppenübungsplätzen niedergelassen haben. Dort gebe es wenig Störungen, sodass sich die Rudel ungestört bewegen könnten. Grundsätzlich sei die dünn besiedelte Alb ein mögliches Revier für Wölfe. Allerdings ist der ehemalige Truppenübungsplatz in Münsingen als Lebensraum wohl zu klein. „Ein Wolfsrudel benötigt 150 bis 300 Quadratkilometer“, sagt Böcker. Er könne aber auch nicht ausschließen, dass es mit weniger auskommen könne. Gerade im Osten Deutschlands seien Wölfe schon an Stellen sesshaft geworden, die Experten nicht vorhergesehen hatten.

Das bereitet Schäfern Kopfzerbrechen. Sie sehen ihre Herden bedroht. „Auf der Münsinger Alb leben zwischen 15 000 und 18 000 Schafe“, sagt Dieter Jäger vom Schäferverein Hohenneuffen-Teck. Der Wolf sei über ein Jahrhundert verschwunden gewesen, für ihn sei jetzt eigentlich kein Platz mehr. Auch den Einsatz von Herdenschutzhunden, was oft vorgeschlagen werde, sieht Jäger kritisch: „Niemand kann vorhersagen, wie die Tiere auf Wanderer oder Radfahrer reagieren.“ Die Hunde werden dazu ausgebildet, Schafherden eigenständig zu verteidigen. Das reicht vom Bellen gegen mutmaßliche Eindringlinge bis hin zum Angriff.

Der Wolf unterliegt nicht dem Jagdrecht

Dass Herdenschutzhunde nicht immer die optimale Lösung sind, wissen auch die Freiburger Wissenschaftler. „Das ist kein Mittel, das man in jede Herde stellen kann“, sagt Böcker. Ob man die Hunde überhaupt einsetzen kann, müsse im Einzelfall abgewogen werden. „Viel wichtiger sind Elektrozäune“, so der Wolfsexperte. Sie sollten möglichst dicht am Boden sitzen, um ein Durchschlüpfen zu verhindern. Das Problem: Auch bei Wölfen gibt es einen Lerneffekt. Ergänzend können Flatterlappen oder akustische Signale abschrecken. Wenn man es dem Wolf so schwer wie möglich mache, ein Nutztier zu reißen, mache er eher Jagd auf Wildtiere. Das zeigen Erfahrungen aus anderen Gegenden. Die Jäger werden in Sachen Wolf ebenfalls aktiv: Sie fordern die Aufnahme des Wolfs in das Schutzmanagement des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes. „Der Wolf unterliegt nicht dem Jagdrecht“, sagt Kreisjägermeister Martin Kohler. Das mache es Jägern schwer, bei direkten Kontakten einzugreifen. So dürfe ein Jäger ein angefahrenes Reh erlösen - sollte aber ein Wolf am Straßenrand gefunden werden, müsse erst die Naturschutzbehörde eingeschaltet werden.