Zwischen Neckar und Alb

Keine Angst vor der Teilzeit

Arbeitszeit Der neue Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie bietet Mitarbeitern mehr Flexibilität. Unternehmen und Verbände im Kreis sehen die Neuerungen gelassen. Von Alexander Maier

Prakesch-Geschäftsführer Axel Engerer würde ohne Tarifvertrag für Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit reduzieren müssen, immer ein
Prakesch-Geschäftsführer Axel Engerer würde ohne Tarifvertrag für Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit reduzieren müssen, immer eine Möglichkeit suchen.Foto: Robert Bulgrin

Berufstätige, die Angehörige pflegen oder sich mehr um ihre Kinder kümmern wollen, werden sich freuen: Der neue Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie bietet ihnen mehr Flexibilität. Vor allem kleinere Unternehmen könnten derweil mit Sorge in die Zukunft blicken, weil die Leistung eines jeden Mitarbeiters, der seine Arbeitszeit reduziert, anderweitig aufgefangen werden muss. Wer sich bei Verbänden und Unternehmen in der Region umhört, bekommt jedoch eher verhaltene Reaktionen zu hören: Noch weiß keiner, wie intensiv die neuen Möglichkeiten angenom­men werden.

Jörg Baumgart ist Personalleiter bei der Single Gruppe in Hochdorf. Er sieht die neuen Regelungen zur Teilzeit gelassen: „Probleme hätte ich gehabt, wenn für die Arbeitszeitreduzierung ein teilweiser Lohnausgleich vereinbart worden wäre, denn der hätte die Unternehmen zusätzlich belastet. Das ist nun nicht der Fall.“ Das Teilzeit- und Befristungsgesetz hat laut Baumgart schon jetzt viele Möglichkeiten eröffnet, Arbeitszeit zu reduzieren. „Wenn Mitarbeiter zu uns kamen und Arbeitszeit reduzieren wollten, haben wir alles getan, um eine Lösung zu finden“, erzählt der Personalleiter. Baumgart glaubt nicht, dass künftig scharenweise Mitarbeiter kommen und ihre Arbeitszeit reduzieren wollen.

Axel Egerer, Geschäftsführer der Prakesch Zerspanungstechnik in Wer­nau, sieht die Teilzeitregelung im neuen Tarifvertrag mit gemischten Gefühlen. Sein Unternehmen ist nicht tarifgebunden, orientiert sich aber nach Egerers Worten an tariflichen Regelungen: „In Zeiten, in denen alle über den Fachkräftemangel klagen, finde ich die neue Regelung etwas widersprüchlich. Die Auftragsbücher sind voll und kleinere Unternehmen könnten Probleme haben, die fehlende Arbeitszeit auszugleichen.“ Ganz neu sind solche Möglichkeiten für die Firma Prakesch jedoch nicht: „Wenn einer kommt und aus nachvollziehbaren Gründen seine Arbeitszeit reduzieren will, dann suchen wir nach einem Weg. Die Mitarbeiter sind unser wichtigstes Gut.“

Der Herausforderung stellen

Rüdiger Denkers, Geschäftsführer bei Südwestmetall in Esslingen, hält den Ball flach: „An den Tarifverhandlungen waren kleinere Unternehmen beteiligt, und aus dem Kreis unserer Mitglieder kam bislang auch kaum Kritik.“ Die Regelung sei aber nicht ganz einfach. „Wir werden nun auf unsere Unternehmen zugehen und sie informieren, was der neue Tarifvertrag für sie bedeutet“, erzählt Denkers. Danach hätten viele noch Zeit, sich darauf einzustellen. Denn: Die Neuerung tritt erst im Januar 2019 in Kraft. Außerdem gibt es im Einzelfall ja auch eine Vorlaufzeit von sechs Monaten. „Und schließlich darf man nicht vergessen, dass Beschränkungen eingebaut wurden: Die Arbeitskraft muss betriebsintern mit gleicher Qualifikation ersetzt werden, zudem können nur maximal zehn Prozent der Beschäftigten diese Möglichkeit in Anspruch nehmen“, erklärt der Geschäftsführer bei Südwestmetall. Für ihn heißt es jetzt: abwarten. „Unsere Unternehmen werden sich dieser Herausforderung stellen“, davon ist Denkers überzeugt.

Gerhard Wick von der IG Metall in Esslingen vermutet, dass sich die Nachfrage nach befristeter Arbeitszeitreduzierung auf 28 Stunden in Grenzen halten wird: „Es gibt keinen Lohnausgleich - das wird sich jeder überlegen. Vermutlich ist es reizvoller, freie Tage statt des tariflichen Zusatzgeldes zu nehmen.“ Trotzdem ist Wick froh, dass die Möglichkeit zur Arbeitszeitreduzierung festgeschrieben ist: „Das ist eine zeitgemäße Regelung, die auch Unternehmen nützt. Wenn jemand Zeit für die Pflege von Angehörigen braucht und die Firma nicht mitmacht, muss er nicht mehr gleich den Arbeitsplatz wechseln.“