Zwischen Neckar und Alb

Keine halben Sachen

Politiker und Verwaltungsbeamte brechen gerne eine Lanze für den Radverkehr. Ein dichtes und gut ausgebautes Wegenetz gilt als wichtiger Tourismusfaktor, lockt Berufspendler hinterm Lenkrad hervor und ist in Zeiten von Luftreinhalteplänen und Fahrverbotsdebatten ein Pflichthema. Ein dankbares zumal, denn hier lässt sich leicht punkten. Radler sind ein emotionales Völkchen und nicht gerade verwöhnt von einer starken Lobby.

Mehr als 1 400 Kilometer Radwege gibt es im Kreis Esslingen. Dass man im Landratsamt das Thema vorantreibt, bringt von politischer Seite regelmäßig Lob ein. Wer häufig auf dem Rad sitzt und nicht nur darüber redet, der weiß jedoch: Nicht alles ist so toll, wie es verkauft wird. Das Radwegenetz in einem der dicht besiedeltsten Landkreise der Republik gleicht einem Flickenteppich. Hier unterwegs zu sein, ist nicht immer leicht, häufig sogar gefährlich.

Jetzt bietet sich die große Chance, entlang des Neckars und der Stauroute B 10 den großen Wurf zu landen. Ein Radschnellweg Richtung Landeshauptstadt - breit, direkt, losgelöst vom motorisierten Verkehr und sowohl finanziell wie auch planerisch forciert von der grün-schwarzen Landesregierung. Die vom Kreis gestern vorgestellte Studie ist ein Einstieg und für alle Radler grundsätzlich eine gute Nachricht. Die schlechte: Die Route mitten durchs Esslinger Stadtgebiet soll Vorfahrt haben vor einem Ausbau des bereits bestehenden Radwegs am Neckarufer - auf immerhin sechs von insgesamt 20 geplanten Kilometern durch Fils- und Neckartal. Zugegeben: Die Direttissima am Fluss ist die teurere und politisch unbequemere der vorgeschlagenen Varianten, weil auch die Stadt Esslingen hier eigene Interessen verfolgt. Für Berufspendler, die ohne Querverkehr und Abgaswolken zügig von A nach B kommen wollen, ist sie auf jeden Fall die attraktivste.

Wer groß für ein ideologiefreies Umdenken in der Verkehrspolitik wirbt, der muss auch groß denken, wenn es um konkrete Pläne geht. Städte wie Kopenhagen, Amsterdam oder auch Straßburg machen dies vor. Wenn Land, Kreis und Kommunen ihre Verkehrsziele für die Zukunft ernst nehmen wollen, kann es nur heißen: keine halben Sachen. Auch dort nicht, wo es teurer und unbequem wird.