Zwischen Neckar und Alb

Kirche verurteilt rechte Hetze

Asyl Die evangelische Kirche in Esslingen stellt sich vor Geflüchtete: Das Zusammenleben könne gut klappen. Die wahren Probleme lägen anderswo. Von Gesa von Leesen

Die Ereignisse von Chemnitz, wo vor etwa drei Wochen Rechtsradikale durch die Stadt zogen und pauschal gegen Flüchtlinge hetzten, bewegen auch die evangelische Kirche in Esslingen. So lud nun Dekan Bernd Weißenborn zu einem Pressegespräch ein, „um einen Impuls in die Stadtgesellschaft zu geben, wie wir als Kirche damit umgehen“. Er könne sich auch eine Bündnisveranstaltung vorstellen, um Gesicht zu zeigen für mehr Menschlichkeit. Allerdings sei da nichts konkret geplant.

Ihm sei wichtig, zu zeigen, dass die Kirche pauschale Verurteilungen von Flüchtlingen nicht toleriere, sagte Weißenborn. Man wolle Mut machen, denn das Zusammenleben mit Flüchtlingen sei vielleicht nicht immer einfach, aber es könne gelingen. Das sieht auch Brunhilde Burgmann so. Sie leistet seit mehr als 25 Jahren ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit, ist Sprecherin des Arbeitskreises Asyl in der Rennstraße in Esslingen. „Ich habe nur positive Erfahrungen mit Geflüchteten“, sagt sie. „Der überwiegende Teil der Menschen, die zu uns kommen, wollen hier einfach nur leben und arbeiten.“ Politik oder religiöse Auseinandersetzungen interessierten die meisten nicht. Burgmann stört, dass viele Einheimische keine Ahnung hätte, warum Menschen zu uns flüchteten, wie sie hier lebten, welche Schwierigkeiten sie hätten. Da sei mehr Information nötig.

Probleme mit Geflüchteten gebe es meist dort, wo Menschen ohne Bleibeperspektive zusammen lebten, hat Kurt Hilsenbeck beobachtet. Als Gründe nennt der Ehrenamtskoordinator der Evangelischen Kirchenbezirke Esslingen: „Sie bekommen keine Sprachkurse, dürfen keine Beschäftigung aufnehmen, dazu kommen die traumatischen Erlebnisse aus der Heimat - da bricht einiges auf.“ Es wäre hilfreich und sinnvoll, auch diesen Menschen Sprachkurse und Qualifizierung zu ermöglichen, damit sie etwas hätten, wenn sie zurückkehren müssten.

Insgesamt funktioniere in der Stadt Esslingen das Zusammenleben mit den Flüchtlingen aber gut, so Hilsenbeck. In kleineren Gemeinden sähe es schon mal anders aus. So habe man in Baltmannsweiler Fotos einer Familie ausgehängt, die dringend eine Wohnung benötige. „Da gab es viele bösartige Reaktionen.“ Bei der Wohnungssuche erlebe man am häufigsten Zusammenstöße mit Einheimischen, die ebenfalls wenig Geld haben. „Die Wohnungsnot ist das große Problem unserer Gesellschaft.“

Diakoniepfarrer Martin Maile, der auch für Asyl zuständig ist, forderte zudem „endlich ein vernünftiges Einwanderungsgesetz“ und kritisierte die Parteien, die sich seiner Ansicht nach nur streiten, „aber keine realistischen Lösungsansätze für das Thema Flucht und Migration haben“. Um die teils heftige gesellschaftliche Debatte zu befrieden, sieht er die Kirche als eine moderierende Kraft vor Ort. Maile schlug vor, „dass wir als Kirche mit den AfD-Kreisen, die einen moderaten Weg wollen, ins Gespräch kommen“. Das überraschte die anderen Kirchenvertreter sichtlich. Ob es zu so einem Diskurs kommt, beispielsweise im Kommunal- oder Europawahlkampf im nächsten Mai, mochte Dekan Weißenborn nicht sagen.

 

Info: Laut Webseite der Stadt leben aktuell in Esslingen 340 Flüchtlinge in vorläufigen Unterkünften. 330 anerkannte Flüchtlinge wohnen in städtischen Anschlussunterbringungen.