Zwischen Neckar und Alb

Kommunen kämpfen gegen Fluglärm

Geräuschpegel Bürgermeister und Betroffene fordern mehr Lärmschutz. Kommunen wollen handeln.

Symbolbild Luftverkehr, Flughafen
Symbolbild

Kreis. Mehr als doppelt so viele Beschwerden über Fluglärm wie im Vorjahr gingen 2018 beim Lärmschutzbeauftragten für den Flughafen Stuttgart ein. Dass sich die Lage in den Kommunen auf den Fildern und in Esslingen, aber auch im Neckartal und auf dem Schurwald verschärft hat, bestätigen Bürgermeister und Betroffene.

Die Zahl der Gesamtflugbewegungen ist 2018 mit 139 617 um 7,5 Prozent angestiegen, die der beförderten Passagiere um 7,8 Prozent auf 11,8 Millionen. Gerade zum Start der Pfingst- und Sommerferien ballt sich der Verkehr schon nach dem Start um 6 Uhr morgens. Kurz nach 6 Uhr ist nach den Worten von Deizisaus Bürgermeister Thomas Matrohs viel Flugverkehr über dem Neckartal. „Dann ist an Schlaf nicht mehr zu denken.“ Als Pilot beschäftigt sich der Verwaltungschef intensiv mit Flugrouten, „da müsste doch an den Drehpunkten zu feilen sein, damit die Bürger entlastet werden.“ Er fordert für die Kommunen im Neckartal einen Sitz in der Fluglärmkommission.

Die stationäre Lärmmessung, die der Flughafen in Deizisau durchgeführt hat, erreichte den Grenzwert für weitere Schallschutzmaßnahmen nicht. „Da wird aber der Mittelwert gemessen“, kritisiert Thomas Matrohs. „Störend sind Einzelereignisse, die die Leute aus dem Schlaf reißen - etwa Nachtpostflüge.“ Die Maschinen, die in Stuttgart starten und landen, seien noch relativ laut. Aus Deizisau und aus Neuhausen kamen die meisten der 824 Beschwerden, die der Lärmschutzbeauftragte Klaus-Peter Siefer analysiert hat. 1233 Beschwerden sind insgesamt bei ihm eingegangen, wobei drei „Vielfach-Beschwerdeführer“ mit zusammen 376 Beschwerden einen Anteil von 30,5 Prozent am Gesamtbeschwerdeaufkommen hatten.

Stark betroffen ist auch Denkendorf, wie Marion Reinhardt bestätigt. „Im Sommer gab es Tage, da konnten wir bei der Lautstärke kaum aus dem Haus gehen.“ Ihr Eindruck ist, dass immer mehr Anflüge über Osten, also über Denkendorf, stattfinden. Siefers Statistik sieht eine nahezu ausgeglichene Bilanz: „Starts erfolgten zu 49,8 Prozent nach Westen und zu 50,19 Prozent nach Osten“, lautet sein Fazit. Reinhardt, die sich häufig beim Lärmschutzbeauftragten beschwert, leidet unter dem ständig wachsenden Flugverkehr. „Die Politik müsste eingreifen und dafür sorgen, dass Billigflüge für unter zehn Euro verboten werden“, findet Gabi Visintin, die im Vorstand der Schutzgemeinschaft Filder sitzt. Von vielen Menschen auf den Fildern hört sie, „dass mit steigenden Fluggastzahlen die Belastung wächst.“ Nur wenn weniger geflogen werde, könnten die Anwohner entlastet werden. „Fliegen muss teurer werden, eine Kerosinsteuer könnte ein Umdenken bewirken.“ Nicht zuletzt wegen des Klimawandels ist das für Gabi Visintin das Gebot der Stunde. Um sich mehr Gehör zu verschaffen, haben die Verbandskommunen Plochingen, Deizisau und Altbach eine Resolution gegen Fluglärm initiiert, der sich Baltmannsweiler und Lichtenwald angeschlossen haben. „Wir müssen gemeinsam ein Signal setzen, alleine können wir da nichts ausrichten“, sagt Simon Schmid. Da setzt der Bürgermeis­ter von Baltmannsweiler auf interkommunale Kooperation. „Die Grenze des für die Bevölkerung Erträglichen und Zumutbaren ist insbesondere in den verkehrsstarken Zeiten längst überschritten“, sagt Lichtenwalds Bürgermeister Ferdinand Rentsch­ler. Er kritisiert „die überwiegende Abwicklung der Nachtflüge in östliche Richtung“, die betroffene Gemeinden und ihre Anwohner benachteilige. Fluglärm mache krank. In der Resolution richten sich die Kommunen nicht nur gegen eine weitere Ausdehnung des Flugverkehrs. Auch das Nachtflugverbot soll strikt eingehalten werden. „Wir haben noch keine Reaktion auf unsere Initiative bekommen“, sagt Richard Kramartschik. Demnächst will er nachhaken: „Wenn sich Esslingen der Resolution anschließt, bekommt sie mehr Gewicht.“ Elisabeth Maier

Mehr Transparenz beim Fluglärm

Lärmdaten live: Geräusche von an- und abfliegenden Maschinen am Flughafen Stuttgart können Bürger online verfolgen: Auf der Webseite des Flughafens stehen Live-Daten zu Schallimmissionen. Außerdem sind auf einer Karte Informationen zu Flugbewegungen, stationären Messstellen und deren Messdaten angezeigt.

Stationäre Messungen: Der Fluglärm liegt nach Pressesprecher Johannes Schlumm nur bedingt im Einflussbereich des Flughafens. Dennoch ist ein wichtiges Anliegen, die Belastung durch den Luftverkehr so gering wie möglich zu halten. Dazu erfasst die Flughafengesellschaft an acht Stationen in der Umgebung laufend die Schallpegel.

Fluglärmbericht: Über die Lärmentwicklung informiert ein monatlicher Bericht auf der Webseite des Stuttgarter Flughafens. Dieser beinhaltet eine Karte mit der grafischen Darstellung der Flugspuren, auf der sich die Überflugdichte ablesen lässt.eli