Zwischen Neckar und Alb

Kompromiss oder Meilenstein?

Modell Der Esslinger Kreistag hat einen neuen Entwurf für die Kinder- und Jugendarbeit beschlossen. Künftig können außer dem Kreisjugendring auch andere Träger Zuschuss für Jugendhäuser erhalten. Von Roland Kurz

Tanz im „Makarios“: Das Esslinger Jugendhaus könnte vom neuen Förderrahmen profitieren. Foto: Bulgrin
Tanz im „Makarios“: Das Esslinger Jugendhaus könnte vom neuen Förderrahmen profitieren. Foto: Bulgrin

Fast fünf Jahre hat der Landkreis Esslingen benötigt, um sich eine neue Rahmenkonzeption für die Kinder- und Jugendarbeit zu geben. Nicht nur, weil es ein umfassendes 60 Seiten starkes Werk ist, hat es so lange gedauert. Zwischendurch galt es, den Kreisjugendring (KJR) finanziell zu stabilisieren. Zudem beeinflusste die politische Debatte über das „Esslinger Modell“ den Planungsprozess. Der Kreistag hat nun entschieden, dass in den Großen Kreisstädten neben dem KJR ein weiterer Träger eine Jugendeinrichtung betreiben kann und vom Kreis mit 50 Prozent bezuschusst wird. Das „Esslinger Modell“ - Kreis und Stadt teilen sich die Kosten für das Jugendhaus - wird also einen Spalt geöffnet.

Das Konzept ermöglicht außerdem, dass Kommunen einen Kinder- und Jugendreferenten einstellen können - oder diese konzeptionelle Arbeit weiterhin dem KJR übertragen. Die SPD lehnte diesen Weg ab, weil sie das entstehen von Doppelstrukturen befürchtet. Auch der Kreisjugendring hält den kommunalen Referenten für unnötig.

Was brauchen Kinder und Jugendliche für eine gute Entwicklung? Welche Angebote gibt es im Kreis Esslingen? Welche Arbeitsprinzipien gelten in der Kinder- und Jugendarbeit? Das sind nur einige Fragen, die das Papier sehr grundsätzlich beackert. Landrat Heinz Eininger steckte das Feld so ab: Kinder- und Jugendarbeit spiele sich nicht nur in Jugendhäusern ab, sondern in vielen offenen Gruppen, in Vereinen und Kirchen. Unter Federführung des Kreisjugendreferats sei ein professionelles und bedarfsorientiertes Konzept entstanden. Die Förderung über das „Esslinger Modell“ werde „moderat geöffnet“. Dem Kreisjugendring werde weiterhin die Grundversorgung übertragen, die Großen Kreisstädte könnten aber einen weiteren Träger beauftragen, eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche zu betreiben.

Die Befürchtung, dass damit dem Kreisjugendring Stellen weggenommen würden, teile er nicht, sagte der Landrat. Die Kommunen können nun auch kommunale Jugendreferate einrichten, so wie sie Nürtingen und Filderstadt bereits haben. Der Kreis würde bis zu 18 Stellen bezuschussen - die Verteilung hängt von der Zahl der jugendlichen Einwohner einer Kommune ab. Den Städten steht es aber offen, den KJR mit der Aufgabe zu beauftragen, ähnlich wie es bereits in Ostfildern oder Neuffen passiert.

SPD sieht Gefahr

Die Freien Wähler, die immer auf die Öffnung des „Esslinger Modells“ gedrängt hatten, loben nun den „Meilenstein“, der mit dem neuen Konzept gesetzt werde. Das setze landesweit Maßstäbe, sagte ihr Fraktionsvorsitzender Bernhard Richter. Anfangs seien alle über seine Fraktion hergefallen, als sie die Öffnung ins Spiel gebracht hätten. Dabei hätten die Freien Wähler nie eine komplette Öffnung der offenen Jugendarbeit mitgetragen. Die Fraktion habe sich auch dagegen ausgesprochen, die Kinder- und Jugendreferenten verbindlich in den Städten und Gemeinden zu installieren. Das bleibe in der Verantwortung der Kommunen und werde in fairer Finanzpartnerschaft mit dem Landkreis ermöglicht.

Auch CDU-Kreisrätin Ursula Merkle sieht anfängliche Vorbehalte gegen die Jugendreferate beseitigt. Die Grundversorgung bleibe beim KJR, der das Vertrauen der CDU genieße.

Die SPD hat die Öffnung des Fördermodells immer hinterfragt. Man habe doch einen „idealen Zustand“, sagte Sprecher Steffen Weigel. Die SPD wolle sich aber dem Wunsch nicht verschließen, bei den Jugendhäusern andere Trägerkonstellationen zu ermöglichen. Nicht anfreunden konnte sich die SPD mit den kommunalen Jugendreferaten. Er sehe die Gefahr von Doppelstrukturen beim Kreisjugendring und bei den Kommunen, sagte der Wendlinger Bürgermeister. Dabei benötige man eigentlich das Geld für die Kinder- und Jugendarbeit. SPD und Linke stimmten gegen die kommunalen Kinder- und Jugendreferate.

„Wir hätten uns ein anderes Ergebnis vorgestellt“, kommentierte KJR-Vorsitzender Michael Medla den Beschluss. Was den kommunalen Jugendreferaten aufgetragen werden solle, das erledige der Kreisjugendring bereits in Absprache mit den Kommunen und durch die Einbeziehung der Jugendlichen. KJR-Geschäftsführer Ralph Rieck befürchtet, dass die Jugendreferate in schwierigen Situationen zum Eingriff des Gemeinderats verlocken. Kinder- und Jugendarbeit müsse sich aber an deren Lebenswelt orientieren und deshalb in einem geschützten Rahmen agieren können. Bislang habe man allerdings aus keinem Rathaus gehört, dass dort ein Kinder- und Jugendreferat geplant werde.