Zwischen Neckar und Alb
Kostenexplosion macht der Baubranche zu schaffen

Wirtschaft Betriebe ächzen unter hohen Energie- und Materialpreisen. Die Branche fordert eine Preisgleitklausel und eine Senkung der Mineralölsteuer. Von Corinna Meinke

Über der Bauwirtschaft braut sich eine Katastrophe zusammen.“ Das sagt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Sorgen bereiten den Baufachleuten der sprunghafte Anstieg der Energie- und Materialkosten, lange Lieferzeiten und der Fachkräftemangel. Gleichzeitig fordern die Mitglieder der Bauinnung Esslingen-Nürtingen weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungsverfahren und eine bessere Abstimmung der Verwaltungsebenen. Das waren auch die Themen, die sie bei einer Runde mit den Landtagsabgeordneten Natalie Pfau-Weller (CDU) und Andreas Kenner (SPD) in der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen zur Sprache brachten.

„Ich weiß nicht ein noch aus“, schilderte Claus Aichele, der dem Vorstand der Bauinnung angehört, seine wirtschaftliche Lage. Ein Drittel des Umsatzes – drei Millionen Euro Rohbausumme – seien defizitär. So etwas könne sich sein Betrieb nicht lange leisten. Schon jetzt müssten Investitionen verschoben werden. Das Dilemma sieht auch Möller. Die Unternehmen müssten für Stahl oder Bitumen große Mehrkosten schultern, seien aber gegenüber den Bauherren verpflichtet, ihre Leistungen zu den angebotenen Preisen zu erbringen. Extreme Sorgen bereite der Preis für Baustahl. Er ist in den letzten zwölf Monaten um 60 Prozent nach oben geschnellt. Allein zwischen Februar und März betrug der Anstieg 19 Prozent. „Die Baustofflieferanten bürden unseren Mitgliedsfirmen exorbitante Preissprünge auf, die sie kaum noch stemmen können“, so Möller. Seriöse Angebote seien kaum noch zu kalkulieren. Es drohe das Abschmelzen der Eigenkapitalausstattung.

 

Wir könnten doppelt so viel bauen, wenn die Verwaltung schneller genehmigen würde.
Thomas Möller
Der Geschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg zu den hohen bürokratischen Hürden

 

Die Bauwirtschaft drängt deshalb auf die Einführung einer Preisgleitklausel – auch für bestehende Verträge. Damit könnten die Mehrkosten bei Baumaterialien von Baustofflieferanten, Bauunternehmen und Bauherren getragen werden. Claus Aichele, der seinen Kunden die Kostensteigerungen offenlegt, berichtete von einer Bauherrin, die sich mit ihm geeinigt habe, die Mehrkosten für den Rohbau ihres Hauses mit ihm zu teilen.

80 Prozent der Mehrkosten seien auf hohe Energiepreise zurückzuführen, sagte Aichele. Gerade für die Stahl- und Steineproduktion seien hohe Energiemengen notwendig. Auch im täglichen Betrieb mache das Betrieben zu schaffen. Deshalb zählen eine Senkung der Mineralölsteuer und Treibstoffkosten zu den Forderungen der Innung. Die Kostensprünge beim Diesel treffen die Betriebe besonders. Die CDU-Landtagsabgeordnete Pfau-Weller erwiderte, man denke über eine Realisierungsprämie für Bauvorhaben nach. Ein Gegenmittel beim Materialpreisanstieg habe man allerdings nicht.

Sorgen bereiten den Baufachleuten auch die bürokratischen Hürden. „Wir könnten doppelt so viel bauen, wenn die Verwaltungen zügiger genehmigen würden“, sagte Möller. Im Kreis Esslingen dauere es von der Bauvoranfrage bis zur Baugenehmigung häufig ein Jahr und länger, bestätigten Innungsmitglieder. Oft fehle es an der Abstimmung zwischen den Verwaltungsebenen. Das sei besonders jetzt ärgerlich, weil die Preissteigerungen so manche Finanzierungen infrage stellten. Erschwerend kämen diverse Gutachten dazu, die ebenfalls teuer und langwierig seien. „So etwas hören wir ständig. Wir haben schon mit zahlreichen heulenden Bauherren gesprochen“, bestätigte Kenner die Fülle bürokratischer Hürden. „Der Deutsche baut alle Bedenken ein, die es weltweit gibt.“

Moniert wurde in der Runde auch der Mangel an Auszubildenden. Die Hauptschulen abzuschaffen, sei ein Fehler gewesen. Viele Schüler besuchten das Gymnasium, wo sie nichts über das Handwerk erfahren würden. Gleichzeitig verlange die Agentur für Arbeit, die Innungsmitglieder sollten an den Schulen für ihre Berufe werben. Dafür habe man aber als Betriebsinhaber keine Zeit. Thomas Möller schlug den Weg von der Ausbildung zum Studium vor. Dadurch würde sich mancher doch fürs Handwerk entscheiden und dessen Wertigkeit erkennen.

 

Die Aufgaben der Innung

Der Bauinnung Esslingen-Nürtingen mit Sitz in Wernau gehören knapp 40 Unternehmen aus dem Kreis an. Die Innung versteht sich als Interessenvertretung der Baubranche. Die Bauinnung fördert die Zukunft der Mitgliedsunternehmen durch die gezielte Nachwuchsgewinnung, fundierte Ausbildung, Öffentlichkeitsarbeit und bietet verschiedene Fortbildungen und Netzwerkangebote an.

Kooperationen unterhält die Innung zu dem Verein Bauwirtschaft Baden-Württemberg, der Servicegesellschaft der Bauwirtschaft Stuttgart und der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen. com