Zwischen Neckar und Alb
Kreisräte wollen endlich Klarheit

Bahnstrecke Lohnt eine Wiederbelebung des Schienenverkehrs zwischen Kirchheim und Göppingen oder nicht? Nach dem Regionalverband stimmt auch der Landkreis einer Machbarkeitsstudie zu. Von Bernd Köble

Nicht wenige sind vom Thema genervt. Das war auch am Donnerstag im Kreis-Finanzausschuss kaum zu überhören. Die Diskussion über eine mögliche Wiederbelebung der ehemaligen Bahnstrecke von Kirchheim über Weilheim und Bad Boll bis Göppingen und Schwäbisch Gmünd schien vor drei Jahren beerdigt. Damals kam eine gemeinsam in Auftrag gegebene Studie der Landkreise Göppingen und Esslingen zum Schluss, dass die erwartbaren Fahrgastzahlen zu gering seien. Vergangenes Jahr nun hat die Grün-geführte Landesregierung das Fass neu aufgemacht, und nicht nur die Boller Bahn, sondern auch andere Nebenstrecken im Land neu bewertet. In der Wiederbelebung stillgelegter Bahnstrecken sieht das Land einen wertvollen Beitrag zur dringend benötigten Mobilitätswende. Deshalb gibt es nun zusätzliches Geld für sogenannte Machbarkeitsstudien, die das Kosten-Nutzen-Verhältnis genauer als bisher unter die Lupe nehmen sollen.

Schon jetzt kommt die Studie des Verkehrsministeriums vom November zu ganz anderen Zahlen: Während bisher davon ausgegangen wurde, dass nur die komplette Durchbindung der Strecke wirtschaftlich vertretbar sei, wird nun auch einzelnen Abschnitten an Wochentagen ein hohes Nachfragepotenzial bescheinigt. Das gilt vor allem für das Teilstück zwischen Göppingen und Bad Boll. Der Streckenabschnitt weiter über Weilheim bis Kirchheim schneidet deutlich schlechter ab.

Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle ist trotzdem erfreut, das neue Bewegung in die Sache kommt. „Wir haben immer gesagt, sollten sich die Rahmenbedingungen ändern, werden wir das ernsthaft prüfen,“ betonte Züfle, der im Kreisausschuss die Freien Wähler vertritt. Er ist überzeugt: Das Projekt könnte einen spürbaren Beitrag zur Erhöhung der Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr leisten und als Tangentialverbindung gleichzeitig die S-Bahn-Linie 1 durchs Neckartal entlasten. Sein Fraktionskollege Frank Buß, der im Verkehrsausschuss des Regionalparlaments sitzt, sieht im Projekt ein klares Plus für den Wirtschaftsstandort.

Dass dabei allerdings „etliche Klippen zu umschiffen sind“, weiß auch Züfle. Zumal die steilsten auf eigener Gemarkung stehen: Die innerörtliche Streckenführung in Weilheim und in Bad Boll gilt als am schwersten lösbar. Ein Ausweg könnte sein, die Schienenverbindung nicht als klassische Bahnstrecke, sondern als Stadtbahn zu betreiben, die dem Straßenverlauf folgen könnte. Das „system-offen“ darüber diskutiert werde, sei richtig, sagt Peter Rauscher (Linke). Tangentialverbindungen würden immer wichtiger mit Blick auf mögliche Streckensperrungen bei der S-Bahn.

Die Entscheidung, sich an einer Machbarkeitsstudie zu beteiligen, fiel einstimmig. Die Mehrheit der Fraktionen im Kreistag schließen sich allerdings der Meinung der Verwaltung an, dass andere Projekte wichtiger seien. Die seit langem geforderte Tangente vom Neckartal auf die Filder habe Priorität, betont Landrat Heinz Eininger. „Dort liegt der verkehrliche Nutzen.“ Das sehen auch die Grünen im Kreistag so, die die Neubewertung der Boller Bahn mit einem Antrag unterstützt hatten. „Wir sehen die Priorisierung genauso,“ stellte Fraktionssprecher Rainer Moritz klar. Trotzdem sei man dankbar, dass der Antrag aufgegriffen wurde. Für Eininger geht es letztlich auch darum, einen Schlussstrich unter die Debatte zu ziehen: „Wir sollten die Sache jetzt endlich klären.“

Bereits am Mittwoch hatte sich der Verkehrsausschuss der Region für eine Beteiligung an der Studie entschieden. Die soll noch in diesem Jahr vergeben werden. Ein Ergebnis wird für Ende 2022 erwartet. An der Untersuchung beteiligt sind neben den Regionalverbänden Stuttgart und Ostwürttemberg die Landkreise Esslingen, Göppingen und der Ostalbkreis.