Zwischen Neckar und Alb

Kreistag schränkt Kompetenzen ein

Umstrukturierung Der Jugendhilfe-Ausschuss des Esslinger Kreistags ist künftig nur noch ein beratendes Gremium, und der Sozialausschuss wird dann ohne Vertreter der Wohlfahrtsverbände tagen. Von Roland Kurz

Diakonieläden sind eines der Themen, mit denen sich der Sozialausschuss regelmäßig beschäftigt - künftig ohne die Vertreter der
Diakonieläden sind eines der Themen, mit denen sich der Sozialausschuss regelmäßig beschäftigt - künftig ohne die Vertreter der Wohlfahrtsverbände.Archiv-Foto: Jürgen Holzwarth

Als „völlig normalen Vorgang“ betrachtet es Landrat Heinz Eininger, wenn für die Besetzung zweier Kreistags-Ausschüsse neue Regeln festgelegt werden. SPD-Kreisrätin Solveig Hummel sieht dagegen eine „stromlinienförmige Ausrichtung“, wenn nach der Kommunalwahl 2019 im Sozialausschuss keine Vertreter der Wohlfahrtsverbände mehr sitzen und der Jugendhilfe-Ausschuss nur noch beratende Funktion haben soll. Die Mehrheit des Kreistags stimmte der Neuregelung zu.

Im Jugendhilfe-Ausschuss sitzen vier Mitglieder der freien Wohlfahrtsverbände und vier Vertreter der Jugendverbände. Die Diskussionen seien von „erheblichen Interessenkollisionen“ geprägt, findet Landrat Eininger, in fast jeder Sitzung gebe es Befangenheiten. Das Gesetz stelle frei, ob der Ausschuss beratend oder beschließend sei. Künftig soll der Jugendhilfe-Ausschuss nur noch beraten, seine Empfehlungen soll dann der Sozialausschuss in Beschlüsse umsetzen.

Im Sozialausschuss sitzen bislang neben den Kreisräten vier beratende Vertreter der Wohlfahrtsverbände, zum Beispiel von Caritas, Diakonie, DRK und Kreisseniorenrat. Dies ist nach Ansicht Einingers nicht notwendig, weil die Verbände über ein Dutzend Kreisarbeitsgemeinschaften und viele weitere Arbeitskreise in die politische Willensbildung eingebunden sind. In den AGs seien auch Kreisräte vertreten. Und bei Bedarf könne man jederzeit fachkundige Bürger in den Sozialausschuss holen. Durch die Neuregelung entstehe „kein Beratungsdefizit“.

In den sozialen Hilfsorganisationen sieht man das offenbar anders: „Die Mitsprache der freien Wohlfahrt wird massiv reduziert“, heißt es in einem Schreiben. Zudem wird kritisiert, dass die Neustrukturierung nur nicht öffentlich vorberaten worden ist - und zwar im Verwaltungsausschuss, nicht in den beiden betroffenen Ausschüssen. Nicht nur SPD, Linke und die meisten Grünen hätten die Kompetenzen und Besetzungen unverändert gelassen.

Aus den Reihen der Freien Wähler meldete Joachim Dinkelacker seine Bedenken an. Ihm liege an den ständigen Beratern im Sozialausschuss, er könne nicht vor der Sitzung sagen, wann ihre Anwesenheit nötig sei. Es gebe Argumente pro und contra, sagte sein Fraktionsvorsitzender Bernhard Richter, die Freien Wähler unterstützten fast durchweg den Landrat.

Die SPD war einhellig für die bisherige Regelung. Ob der Jugendhilfe-Ausschuss bei Finanzierungsfragen draußen bleiben solle, fragte Solveig Hummel. Im Sozialausschuss seien andere Sichtweisen und Gegengewichte kein Schaden. Ähnlich denkt Peter Rauscher (Linke): Die Vertreter der Wohlfahrtsverbände erlebten den Alltag von sozial schlechter gestellten Menschen.

Die Grünen waren auf ungewöhnliche Weise gespalten. Georg Zwingmann, Sprecher im Jugendhilfe-Ausschuss, zeigte sich als „vehementer Gegner“ der neuen Regelung. Die Kompetenz des Jugendhilfe-Ausschusses werde infrage gestellt, und die Ausgrenzung im Sozialausschuss diene nicht der gemeinsamen Gestaltung der Sozialpolitik. Matthias Weigert traut dagegen den Kreisräten auch ohne externe Experten sachkundige Entscheidungen zu.

Ulrich Deuschle (REP) sieht in den Verbandsvertreter im Sozialausschuss nur Lobbyisten, keine sachkundigen Bürger. Den Jugendhilfe-Ausschuss würde er aber weiterhin beschließen lassen.

Am Ende wurde gegen die Stimmen von SPD, Linke, REP und vielen Grünen der Jugendhilfe-Ausschuss entmachtet. Gegen die Neuregelung des Sozialausschusses stimmten auch drei Freie Wähler, die Mehrheit gefährdete dies aber nicht.