Zwischen Neckar und Alb

Landwirte drücken die Schulbank

Ausbildung Nach 600 Unterrichtstunden können sich 25 Absolventen als Fachkraft für Landwirtschaft bezeichnen.

Foto: Peter Dietrich
Foto: Peter Dietrich

Region. Zwei Winter lang haben Nebenerwerbslandwirte in Nürtingen die Schulbank gedrückt. Das macht zusammen 600 Stunden Unterricht. Seit 1983 gibt es dieses Angebot, mit bisher knapp 300 Absolventen als „staatlich geprüfte Fachkraft für Landwirtschaft“. Das Interesse an der Fachschule ist groß, dieses Mal gab es aus den Kreisen Esslingen und Göppingen mehr als 60 Bewerbungen. Nun erhielten 21 Männer und vier Frauen auf dem Bohnackerhof zwischen Wendlingen und Oberboihingen ihre Zeugnisse. Alle haben bestanden.

Am besten schloss der 24-jährige Michael Gscheidle aus Nürtingen-Reudern mit der Note 1,4 ab. Er hat einen kleinen Grünlandbetrieb. Gscheidle hat seinen Bachelor in BWL und seinen Master in Agrobusiness gemacht und strebt nun eine Promotion an. Er wollte aber auch die Praxis: „Das ergänzt sich fabelhaft.“ Den Unterricht habe er richtig genossen, sagte er. Die Landwirtschaft soll sein Haupterwerb werden, er möchte in diesem Bereich auch lehren.

Auch Marcel Straub aus Aichelberg hat teilgenommen. Er hilft regelmäßig auf dem Hof eines Freundes in Bad Boll mit. Für den Hauptamtsleiter in Riederich ist das „ein prima Ausgleich zu zehn bis zwölf Stunden im Büro“.

Viele Absolventen kommen aus praktischen Berufen, aber auch eine Steuerberaterin hatte teilgenommen. Das Spektrum der Betriebe reiche von der Pferdehaltung über den Betrieb mit Legehennen bis zum Milchvieh, sagte die Klassenlehrerin Claudia Kohm, ein Schweinehalter sei auch dabei. „Die meisten sind 25 bis 30 Jahre alt.“ Es gab jedoch auch eine Schülerin mit 51 Jahren.

„Die Richtigen gewählt“

Für Reinhold Klaiber, Leiter des Landwirtschaftsamts, stellte sich im Vorfeld die Frage, wer den Kurs am nötigsten brauche. „Wenn ich die Motivation und Ergebnisse sehe, dann weiß ich, wir haben die Richtigen ausgewählt.“ Jeder bringe ganz andere Voraussetzungen mit, sagte Kurt Mezger, Abteilungspräsident im Regierungspräsidium Stuttgart. „Sie haben einiges an Rüstzeug bekommen, ein Unternehmen zu führen. Sie haben im anderen Beruf viel gelernt, sind es gewohnt zu organisieren, da lässt sich sicher vieles übertragen.“ Michael Zimmermann vom Schlossgut Köngen, Vorsitzender des Ortsvereins Esslingen-Kirchheim-Nürtingen des Verbands Landwirtschaftlicher Fachbildung, umwarb die Absolventen, im Verband mitzuarbeiten.

Knapp zwei Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe im Kreis Esslingen würden im Nebenerwerb geführt, sagte die erste Landesbeamtin Marion Leuze-Mohr. „Sie bewirtschaften oft Flächen, die für Hauptberufliche nicht so interessant sind, wie beispielsweise Streuobstwiesen.“ Die Bevölkerung wisse, wie wichtig die Landwirte seien: „Bei einer Emnid-Umfrage nach den für die Zukunft wichtigsten Berufen kam der Landwirt auf den zweiten Platz.“ Nun sei die Zeit mit „Pauken statt Chillen“ vorbei: „Ich wünsche Ihnen eine bombige Party.“ Peter Dietrich