Zwischen Neckar und Alb

Lernen zum Wohle der Patienten

Onkologischer Schwerpunkt öffnet sich weiter Ärzten und Therapeuten

Zusammenarbeiten und voneinander lernen zum Wohl der Patienten – so könnte man die Aufgabe des 2011 gegründeten Onkologischen Schwerpunkts Esslingen (OSP) umschreiben. Künftig will sich der OSP auch für andere niedergelassene Ärzte und Therapeuten öffnen.

Esslingen. Das Klinikum Esslingen, die Kreiskliniken mit ihren Standorten Ostfildern-Ruit und Nürtingen und die Filderklinik wie auch zwei onkologische Schwerpunktpraxen in Esslingen und Wendlingen sorgen bisher schon für eine wohnortnahe Versorgung der Krebspatienten im Kreis. „Wir möchten Standards für alle Patienten etablieren, egal, wo sie sich behandeln lassen“, erklärt Professor Michael Geißler, Ärztlicher Vorstand des OSP Esslingen und Chefarzt am Klinikum Esslingen. Die Qualität der Arbeit des OSP sei mit Unikliniken vergleichbar. Die Mediziner tauschen sich aus und organisieren gemeinsame Fortbildungen. Dennoch habe jede Klinik oder Praxis ihre eigenen Schwerpunkte.

So ist die Filderklinik wegen ihres Angebots an die Schulmedizin ergänzenden Heilmethoden, der sogenannten Komplementärmedizin, ein wichtiger Partner. Etwa 70 Prozent aller Krebspatienten fragten nach alternativen Heilmethoden, weiß Stefan Hiller, leitender Arzt des Zentrums für integrative Onkologie an der Filderklinik und stellvertretender Ärztlicher Vorstand des OSP. Sie im „Dschungel“ von rund 250 unterschiedlichen Therapien, die im Internet kursierten, nicht allein zu lassen, sei eine wichtige Aufgabe. „Wir wollen sie seriös beraten und die Möglichkeiten alternativer Therapien aufzeigen.“ Für Swen Weßendorf, Ärztlicher Koordinator des OSP, geht es auch darum, Patienten, die auf der Suche nach alternativen Therapien sind, nicht zu verlieren.

Dass eine gut abgestimmte Therapie von Schulmedizin und Naturheilverfahren durchgeführt werden könne, gehe nur, wenn man gemeinsame schaue, was das Optimale für den Patienten sei, so Geißler. Das geschieht in Videokonferenzen aller im OSP zusammengeschlossenen Institutionen. „Dort werden Probleme oder strittige Fälle besprochen“, erklärt Weßendorf. 400 bis 450 Fälle werden pro Jahr diskutiert, fünf bis zehn Prozent der Krebspatienten. „Es wird manchmal auch richtig gestritten, bevor ein Konsens gefunden wird“, berichtet Geißler. Ob der Patient der Empfehlung folge, liege bei ihm. „Gegen den Willen der Patienten geschieht grundsätzlich nichts.“

Auch wenn verschiedene Therapieformen und Fachleute bei der Behandlung eines Patienten beteiligt seien, sei es sinnvoll, wenn sie in der Hand eines Arztes oder einer Klinik blieben, betont Hiller. „Es ist unheimlich fruchtbar, sich abzugleichen. Wir lernen da sehr viel voneinander“, betont Alexander Golf, stellvertretender Ärztlicher Vorstand im OSP und Oberarzt am Kreisklinikum Nürtingen. Durch die fachspezifischen und übergreifenden Arbeitsgruppen im OSP sei jeder auf dem gleichen medizinischen Stand. Berührungsängste gebe es nicht, versichert Geißler.

Im europäischen Vergleich habe die Onkologie in Deutschland ein sehr hohes Niveau, weiß Robert Eckert, der in Esslingen eine onkologische Schwerpunktpraxis betreibt und stellvertretender Ärztlicher Vorstand des OSP ist. Das Modell, die Schwelle zwischen stationärem und ambulantem Bereich so niedrig wie möglich zu halten, indem man alle Partner an einen Tisch hole, tauge als Vorbild für andere Länder.

Man wolle künftig nicht nur die hohe Qualität halten, sondern die Weiterbildung vorantreiben, sagt Geißler. Zudem werde man die integrative Medizin und damit das Zusammenspiel von Schulmedizin und Komplementärmedizin weiter ausbauen. „Da ist noch Luft nach oben.“ In der Pflege sei die Verzahnung zwischen klassischen und komplementären Verfahren schon viel weiter, sagt Hiller mit Blick auf die Brückenpflege „Stella Care“. Diese baden-württembergische Besonderheit bildet die Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Pflege. Die zehn Fachkräfte speisen sich aus dem Pflegepersonal der Kliniken.

Weil viele niedergelassene Fachärzte und Therapeuten, die Krebspatienten behandeln, Interesse an einer Mitarbeit im OSP angemeldet haben, können sie künftig als assoziierte Mitglieder teilnehmen und auch in den Videokonferenzen ihre Patienten vorstellen.