Zwischen Neckar und Alb

Mann will Frau vor die S-Bahn werfen

Gericht Ein 23-Jähriger rastet in Wendlingen aus. Jetzt wird ihm der Prozess gemacht.

Gericht
Symbolbild

Wendlingen. Der Albtraum eines jeden S-Bahn-Passagiers geschah am frühen Morgen des 29. Dezembers letzten Jahres an der Bahnsteigkante des Wendlinger Bahnhofs. Ein 23-jähriger Asylbewerber versuchte, eine 27-jährige Frau vor einen einfahrenden Zug zu werfen, was durch das Einschreiten anderer Fahrgäste verhindert wurde. Jetzt sitzt der 23-Jährige auf der Anklagebank am Stuttgarter Landgericht. Der Vorwurf gegen ihn ist gewaltig: versuchter Totschlag, versuchter gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr, mehrfache gefährliche Körperverletzung. Laut einem Gutachten soll der Mann an einer schweren psychischen Störung leiden.

Wie es zu dem beinahe tödlich endenden Vorfall kam, wollen die Richter in einer mehrtägigen Verhandlung herausfinden. Nach bisherigen Ermittlungen der Polizei und der Stuttgarter Staatsanwaltschaft war der Nigerianer gegen sieben Uhr am Gleis aufgetaucht und soll weibliche S-Bahn-Fahrgäste angepöbelt haben. Als er eine 20-Jährige tätlich angegriffen habe, so die Anklage weiter, habe die 27-Jährige eingegriffen. Daraufhin soll er diese durch Fausthiebe auf den Kopf und das Gesicht zu Boden geprügelt haben.

An den Haaren zum Gleis gezogen

Was dann folgte, sieht die Staatsanwältin so: Der Angeklagte habe die Frau an den Haaren zur Bahnsteigkante gezogen und versucht, sie gegen die einfahrende S-Bahn zu werfen. Mit einem Teil ihres Oberkörpers soll die 27-Jährige bereits über der Kante gewesen sein, als sie sich heftig wehrte und Passanten zu Hilfe kamen.

Mit Verletzungen am Halswirbel und an den Armen konnte die Frau dann wieder aufstehen. Auch die Helfer, die den Mann festzuhalten versuchten, wurden kräftig geschlagen und verletzt: Schulterbrüche, Hand und Augenverletzungen. Bald darauf wurde der Angreifer von der Polizei in Gewahrsam genommen. Mit dem versuchten Wurf der Frau auf die Gleise habe er bewusst den Tod des Opfers in Kauf genommen, sagt die Anklägerin.

Der Mann ist psychisch krank

Was den Mann am Wendlinger Bahnhof so ausrasten ließ, könnte seine paranoide Psychose gewesen sein, an der er seit einigen Jahren erkrankt sei. So jedenfalls sieht es ein Gutachten, in dem auch vermerkt ist, dass der Beschuldigte das Unrechte der Tat nicht habe einsehen können und daher auch in strafrechtlicher Hinsicht schuldunfähig ist.

Schon zum gestrigen Auftakt hat die Staatsanwältin ein „besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung der Taten“ bejaht und darauf hingewiesen, dass der 23-Jährige in seinem krankhaften Zustand eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und daher in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden muss.

Zur Tat sagt der Angeklagte, er wisse nicht, was am 29. Dezember geschah. Zu seiner Herkunft sagt der 23-Jährige, dass er in Nigeria geboren wurde und auch das Abitur gemacht habe. 2015 habe er aus Angst vor Soldaten die Ausreise nach Libyen angetreten und dort einige Zeit gearbeitet, ehe er schließlich mit einem Schiff mit anderen Flüchtlingen das Mittelmeer überquerte und in Italien landete. Sein Asylantrag wurde abgewiesen. Danach reiste er nach Deutschland und beantragte hier Asyl. Die Entscheidung darüber steht noch aus. Bernd Winckler