Zwischen Neckar und Alb

Mehr als 400 junge Flüchtlinge auf der Warteliste

Berufliche Schulen haben nur begrenzte Kapazitäten – Mehr Vorbereitungsklassen an Haupt- und Werkrealschulen?

Fast 350 junge Flüchtlinge werden derzeit an den beruflichen Schulen im Landkreis und in privaten Einrichtungen unterrichtet. Weil die beruflichen Schulen im Herbst nicht Hunderte zusätzlicher Schüler aufnehmen können, wird nun überlegt, ob Haupt- und Werkrealschulen weitere Deutschklassen eröffnen könnten.

An den beruflichen Schulen des Landkreises sind 13 VABO-Klassen für jugendliche Flüchtlinge eingerichtet worden. Kultusminister

An den beruflichen Schulen des Landkreises sind 13 VABO-Klassen für jugendliche Flüchtlinge eingerichtet worden. Kultusminister Andreas Stoch war deshalb auch vor einiger Zeit in der Esslinger Käthe-Kollwitz-Schule und besuchte die Schüler sowie Co-Lehrerin Kamilla Kuriata. Archivfoto: Peter Stotz

Kreis Esslingen. „Ich sehe keine Möglichkeit, wie wir über 400 Schüler ins jetzige System aufnehmen können“, sagt Thomas Fischle, Sprecher der beruflichen Schulen im Landkreis. 434 Flüchtlinge warten auf einen Platz in den VABO-Klassen (Vorbereitung Ausbildung/Beruf ohne Deutschkenntnisse). 13 Klassen haben die beruflichen Schulen in Esslingen, Kirchheim und Nürtingen bislang eingerichtet. Volkshochschule, Internationaler Bund und das Nürtinger Schulwerk Mitte bieten sechs VABO-Klassen an. Um die Not in diesem Schuljahr zu lindern, hat Fischle an seiner Schule, der Käthe-Kollwitz-Schule Esslingen, noch vier Deutschkurse mit 16 Wochenstunden installiert. Und in Kirchheim hat die Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule diese Woche noch einen Kurs eröffnet. Die beruflichen Schulen könnten aber nicht von 13 auf etwa 30 VABO-Klassen erweitern, sagt Fischle. Es fehlen Räume, und ob er Personal bekäme, wisse er nicht.

Fischle hat deshalb in einem Gespräch mit Landrat Heinz Eininger, der Leiterin des Staatlichen Schulamts Corina Schimitzek sowie einem Vertreter des Regierungspräsidiums vorgeschlagen, dass zehn- bis 17-jährige Flüchtlinge in Vorbereitungsklassen (VKL) an Haupt- und Werkrealschulen aufgenommen werden sollten. Nach einem Jahr Deutschunterricht in der VKL könnten die beruflichen Schulen dann die 17- bis 21-jährigen Flüchtlinge übernehmen. Bessere Schüler müssten nicht in eine VABO-Klasse, sondern könnten auf die Berufsfachschule oder sogar ins Berufskolleg oder auf ein berufliches Gymnasium wechseln.

Ob die Haupt- und Werkrealschulen tatsächlich freie Kapazitäten haben, steht laut Amtsleiterin Schimitzek aber noch nicht fest. Sie müsse erst die Anmeldungen für die Sekundarschulen abwarten, die am 16. und 17. März eingehen.

Eine offene Variable ist zudem die Inklusion. Sie wisse nicht, wie viele Eltern ihre behinderten Kinder auf allgemeinbildende Schulen schicken wollen, sagt Schimitzek. Das könne bedeuten, dass manche Klassen kleiner werden müssten und weitere Räume nötig seien. VKL an den allgemeinbildenden Schulen sind nichts Neues. Im Grundschulbereich gibt es bereits 50 VKL-Klassen, im Sekundarbereich wird gerade die 33.  Klasse eingerichtet. „Wir sind da schon gut unterwegs“, findet Schimitzek. Das sind zum einen Kinder, deren Eltern aus europäischen Ländern kommen und Deutsch lernen sollen, zum anderen Flüchtlingskinder. Sie unterscheide bei der Herkunft nicht, sagt Schimitzek. Alle, die Sprachförderung benötigen, haben Anspruch, in eine VKL gehen zu können. Den beruflichen Schulen im Landkreis habe man bereits etwa 300 ältere Schüler abgenommen. Etliche davon wurden auch direkt von den allgemeinbildenden Schulen aufgenommen. Sie könne auch nicht ohne Rücksprache mit den Bürgermeistern zusätzliche Klassen einrichten. Prinzipiell werden dem Schulträger zwar die Sachkosten vom Land erstattet, aber erst einmal schießt die Kommune vor.

Dass es auf die Kommunen ankommt, weiß Schulleiter Fischle auch. Er glaubt aber, dass es einfacher ist, Personal für VKL-Klassen zu rekrutieren, weil Honorarkräfte eingesetzt werden könnten, die ein Zertifikat „Deutsch für Ausländer“ vorweisen. Auch pensionierte Lehrer seien da einfacher einzusetzen als in der VABO-Klasse. Das praktiziere er an der Kollwitz-Schule mit Erfolg. Fischle selbst will noch zwei weitere Klassen anbieten. Auch die anderen sieben beruflichen Schulen werden wohl noch aufstocken, aber 30 Klassen seien nicht machbar, sagt Fischle.

Trotz aller Schwierigkeiten sieht Fischle die jungen Flüchtlinge als Potenzial für die deutsche Wirtschaft. Zwar bringe etwa ein Drittel der syrischen und afghanischen Jugendlichen kaum Schulbildung mit und die anderen hinkten den gleichaltrigen deutschen Schülern einige Jahre hinterher, aber viele hätten schon handwerklich gearbeitet. Die ersten VABO-Schüler hat Fischle in Handwerk und Industrie untergebracht. Einer aus Gambia mache eine Lehre zum Pfleger und sei hoch zufrieden. ez/tb