Zwischen Neckar und Alb

Mehr als ein Roller: die Vespa

70 Jahre und kein bisschen altmodisch

Die Vespa ist Kult – und das auch noch mit 70 Jahren. Dabei gibt es den typischen Vespa-Fahrer gar nicht. Junge Zweiradfans fahren sie ebenso gerne wie ältere, bei Frauen ist sie so beliebt wie bei Männern.

Mehr als ein Roller: die Vespa
Mehr als ein Roller: die Vespa

Göppingen. Parkplatzsuche? Hoher Spritverbrauch? Da kann Henrik Mühlhäuser nur lachen. Er ist bei fast jedem Wetter mit seiner Vespa unterwegs. Sie ist annähernd doppelt so alt wie er selbst, war Anfang der Achtzigerjahre von seinem Opa gekauft und dann von seinem Papa gefahren worden. Jetzt ist der 17-Jährige begeistert von dem Roller. Diesen Enthusiasmus teilt er mit Frank Kälberer, Daniel Pitterle und vielen ungezählten Vespa-Fahrerinnen und -Fahrern auf der ganzen Welt.

Denn die Vespa hat auch in ihrem 70. Jahr seit ihrer Entwicklung nichts von ihrer Attraktivität und Anziehungskraft eingebüßt. Im Gegenteil. „Derzeit ist es sehr angesagt, Vespa zu fahren“, weiß Frank Kälberer. Er und Daniel Pitterle betreiben seit einigen Jahren in Jebenhausen die Firma Schwabenroller, die einzige Vespa-Vertretung Deutschlands, die sich ausschließlich auf den italienischen Kultroller spezialisiert hat.

Damit hat Kälberer „mein Hobby zu meinem Beruf gemacht“. Mit 16  Jahren hatte er – wie auch sein Kunde Henrik – von seinem Vater eine Vespa bekommen. „Seither fahre ich immer“, bekräftigt der 38-Jährige. Er hatte damals mit seinem Freund zusammen begonnen, alte Vespas zu reparieren und damit die Aufmerksamkeit eines Werksvertreters erregt. Der ermunterte die beiden leidenschaftlichen Schrauber, eine Ausstellungsfläche zu schaffen und auch neue Vespas anzubieten. Aus einem alten Stall wurde ein Ausstellungsraum, daneben eine moderne Werkstatt eingerichtet. Denn Kälberer steht nach wie vor auf die historischen Maschinen mit ihrer unverwüstlichen Technik, die robust und wenig störanfällig ist.

Und wenn doch einmal etwas kaputt geht oder ein Verschleißteil ausgetauscht werden muss? „Da gibt es nach wie vor für alle Modelle alle Ersatzteile“, betont der Schrauber und blättert in einem tausend Seiten dicken Ersatzteilekatalog, der bei Weitem nicht alle Teile enthält.

Kälberer mag es, in der Stadt immer einen Parkplatz zu bekommen und kaum Benzinkosten zu haben. Besonders Frauen schätzen die Vespa. Sie bietet Platz, um den Helm oder den Einkauf zu verstauen. Und ein weiteres unschlagbares Argument: Wegen seines tiefen Einstiegs kann der Roller mit normaler Kleidung gefahren werden. Das zeigt auch ein Foto an der Wand in Jebenhausen, das Audrey Hepburn im legendären Film „Ein Herz und eine Krone“ zeigt, in dem sie mit einer Vespa Rom erkundet. Nicht nur dieses Filmplakat strahlt die pure Lebensfreude aus. „Vespa-Fahrer grinsen und freuen sich am Fahren“, weiß der Jebenhausener. Immer wieder erlebt er, dass Kunden, die sich eine Vespa kauften, feststellen: „Warum habe ich das nicht schon viel früher gemacht?“.

Manchmal sind es ältere Herren, die ihr Leben lang Motorrad fuhren und jetzt im Alter auf den Roller umsteigen, „weil sie einfach weiter Zweirad fahren wollen“. Dabei ist die Vespa kein Rennfahrzeug. Sie entschleunigt vielmehr und die Fahrer sind tiefenentspannt“. Alle, die einmal in südlichen Ländern einen ganzen Schwarm der „Wespen“, so die Übersetzung ins Deutsche, erlebt haben, mögen dies nicht so recht glauben, erinnern sich freilich auch an ein unbeschwertes Lebensgefühl, wie es vielleicht nur südliche Sommernächte entstehen lassen.

Die Vespa wird in unterschiedlicher Motorgröße angeboten, aktuell zwischen 50 und 300 Kubikzentimetern, ältere Modelle reichten bis 200 Kubikzentimeter. „Im Prinzip wird sie unverändert gebaut“, erläutert Frank Kälberer und verweist darauf, dass es zum 70. Geburtstag Sondermodelle gibt in den Farben Silber und Blau. Ansonsten sind derzeit weiß, rot, blau und schwarz angesagt. Die Farben spiegeln die jeweilige Zeit wider, aus der die älteren Vespas in Jebenhausen stammen. Das älteste Modell aus dem Jahr 1952 verkauft Frank Kälberer „auf keinen Fall“.

Im April 1946 war das neue und funktionale Fahrzeug in Rom der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Firma Piaggio hatten den zwischenzeitlich legendären Roller entwickelt. In den Fünfzigerjahren war das Zweirad in Lizenz eine Zeit lang auch in Augsburg und Nürnberg produziert worden. 1957 – auf dem Höhepunkt des Erfolgs des Unternehmens, war kurzfristig auch ein Auto produziert worden. Im Prinzip hat der beliebteste Roller der Welt sein Aussehen nicht grundlegend verändert. Immer wieder modifiziert, gibt es auch zum 70. Geburtstag ein Sondermodell.