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Mehr Platz fürs Sammelsurium

Das neue Museum im Bosch-Thermotechnik-Forum Wernau setzt verstärkt auf Kulturgeschichte

foto: roberto bulgrin16. 11. 2015Wernau, Bosch, Junkers, Neues Thermotechnik-Museum
foto: roberto bulgrin16. 11. 2015Wernau, Bosch, Junkers, Neues Thermotechnik-Museum

Wernau. Betritt man das neue Museum im Bosch Thermotechnik-Forum in Wernau, sieht man sich direkt Hugo Junkers und Robert Bosch gegenüber. Zwei Büsten erinnern

an die Unternehmer, deren Lebenswege sich Anfang der 1930er-Jahre kreuzten. In einem einführenden Bereich wird ein Abriss über die beiden gegeben. Dabei wird deutlich: Junkers war ein Tüftler und Erfinder wie er im Buche steht. Mit 415 Patenten galt er als „visionärer Geist“. Bosch hingegen war kein typischer Erfinder, sondern einer, der wusste, wie man Erfindungen geschickt nutzt. „Er dachte über ‚Technik fürs Leben‘ nach“, erläutert Kathrin Fastnacht den Bezug zum heutigen Bosch-Slogan.

Die promovierte Historikerin und Kulturwissenschaftlerin ist bei der Robert Bosch GmbH für die historische Kommunikation zuständig. Zu ihrem Aufgabengebiet gehört das Junkers-Museum in Wernau. Dieses wurde im Zuge des Neubaus eines Trainingscenters für Installateure erneuert. Die alten Museumsräume mussten der Produktionsfläche weichen. In diesem Zug wurde das neue Museum auch inhaltlich anders konzipiert: Technik rückt etwas in den Hintergrund, Kulturgeschichte nimmt mehr Raum ein. Ein Kalorimeter ist zu sehen, das Hugo Junkers 1892 patentieren ließ. Im Patentantrag beschrieb er bereits das Prinzip der Brennwerttechnik, das heute noch bei Gas- und Ölheizungen als Stand der Technik gilt. Er selbst nutzte es als Messgerät zur Bestimmung des Heizwertes von Brenngasen. Somit war es Grundlage für seine Erfindungen.

Im Museum zu sehen ist etwa eine Badewanne mit stehendem Heißwassergerät. Kaum jemand hatte Anfang des 20. Jahrhunderts Platz und Geld für solchen Luxus. Also erfand Junkers den Duschring, der funktionierte, indem man sich in einen Zuber stellte, den Ring um den Hals hängte und sich so mit wenig Wasser säubern konnte. Meist war das in der Küche. Junkers Idee: „Alle Tage Badetag“. Ganz Marketingmann, wusste er seine Erfindung anzupreisen. Er berechnete, dass fünf Minuten Duschen dem Wert einer Zigarette entsprechen und somit für jeden erschwinglich sei.

Auch auf andere Art war Junkers stets nah am Kunden und äußerst fortschrittlich. Für den Kundendienst ließ er Geräte in Miniaturformat anfertigen, die in einen Koffer passten und so den Installateuren vorgeführt werden konnten. Früh gab Junkers „Handreichungen für Installateure“ heraus und veranstaltete Kurse, in denen der sensible Umgang mit Gasgeräten erläutert wurde.

In Imagebroschüren, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Bauhaus entstanden, warb Junkers bereits 1913 für seine Marke. Emotionen wurden mitverkauft. 1929 ließ der Technikpionier gar einen Kinofilm von der Ufa herstellen, in dem seine Produkte beworben wurden. Titel: „Jungborn der Menschheit“. Ausschnitte daraus sind im Museum zu sehen. Besucher, denen die Erklärungen auf den Schautafeln nicht ausreichen, können sich an Touchscreen-Bildschirmen Eindrücke verschaffen. So ist die Werbung für Warmwassergeräte aus mehreren Jahrzehnten zu sehen – und schon deshalb interessant, weil die jeweilige Mode bei Bademänteln und Bad­kacheln zu sehen ist.

Die meisten Menschen bringen mit dem Namen Junkers „Tante Ju“ in Verbindung. Tatsächlich feierte Hugo Junkers 1917 den Durchbruch als Flugzeugbauer. Ein Exemplar im Kleinformat schwebt im Museum – obwohl dies die Sparte ist, die Bosch nicht übernommen hat. Junkers und Bosch hatten zeitgleich Patente für sichere Zündungen eingereicht. Während dieser Zeit schlitterte Junkers in die Insolvenz. Hohe Ausgaben für seine Patente und Flugzeuge sowie die Weltwirtschaftskrise brachten ihn in finanzielle Nöte. Mithilfe Boschs konnte Junkers immerhin bis zur Enteignung durch die Nationalsozialisten 1933 die Flugzeugsparte retten. Das Gasgerätegeschäft übernahm Robert Bosch und baute es aus. Bis zur Enteignung durch die Sowjets 1953 befand sich der Firmensitz in Dessau, danach zog die Fabrik nach Wernau. Dieser Teil der Geschichte wird anhand von Bildern erklärt.

Eine wahre Schatztruhe befindet sich in einem zweiten Raum des Museums. An schwarzen Wänden hängen Heizgeräte, Warmwassergeräte und Kombigeräte füllen die Wände. Neben der Form beeindruckt die Farbgebung. Dominierten zunächst Kupfertöne, waren es später zarte Pastellfarben, um schließlich im typischen Weiß daherzukommen. Warum das so ist, weiß Kathrin Fastnacht: „Anfangs hingen die Geräte prominent in der Wohnung. Jetzt stehen sie im Keller.“

Gruppen können sich für Führungen durch das Museum per E-Mail anmelden bei sabine.waha@de.bosch.com oder brigitte.schmid@de.bosch.com. Führungen für Einzelpersonen sind nicht möglich.

foto: roberto bulgrin16. 11. 2015Wernau, Bosch, Junkers, Neues Thermotechnik-Museum
foto: roberto bulgrin16. 11. 2015Wernau, Bosch, Junkers, Neues Thermotechnik-Museum
foto: roberto bulgrin16. 11. 2015Wernau, Bosch, Junkers, Neues Thermotechnik-Museum
foto: roberto bulgrin16. 11. 2015Wernau, Bosch, Junkers, Neues Thermotechnik-Museum
Ob Heizen, Warmwasser aufbereiten oder beides; Junkers hat stets an den Geräten gefeilt, erklärt Kathrin Fastnacht.Fotos: Robert
Ob Heizen, Warmwasser aufbereiten oder beides; Junkers hat stets an den Geräten gefeilt, erklärt Kathrin Fastnacht.Fotos: Roberto Bulgrin