Zwischen Neckar und Alb

Milde Strafe für hohen Schaden

Urteil Wendlinger Steuerbetrüger bleibt auf freiem Fuß: Er hat ein umfassendes Geständnis abgelegt.

Wendlingen. Nach über dreijähriger Ermittlungs- und Verfahrensdauer hat das Stuttgarter Landgericht einen ehemaligen Gebäude-Reinigungs- und Bauunternehmer aus Wendlingen wegen Lohnsteuer, Umsatzsteuer und Vorenthalten von Sozialabgaben zu zwei Jahren Haft mit Bewährung verurteilt. Als Bewährungsauflage muss der Mann 600 gemeinnützige Arbeitsstunden ableisten.

Mit diesem Urteil ist ein großer Wirtschaftsprozess nach zwei Anläufen beendet worden. Bereits Anfang 2020 war das Verfahren gegen den Mann vor der 13. Großen Wirtschaftsstrafkammer eröffnet und verhandelt worden. Die Pandemie hatte dem Prozess jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht: Die Verhandlung wurde ausgesetzt, der Angeklagte durfte auf freiem Fuß bleiben.

Dieser Umstand - die lange Verfahrensdauer und die Probleme mit der Pandemie - bewahrten den Angeklagten jetzt vor einer zu verbüßenden Haftstrafe. Dies, obwohl der wirtschaftliche Schaden immens hoch ist. Die Richter errechneten per Schätzung, dass es sich insgesamt um 2,8 Millionen Euro handelte. Möglich gemacht hatte es der Angeklagte in den Jahren 2011 und 2012 mit seinem damaligen Wendlinger Reinigungsunternehmen, das vor allem im Bereich von Industriesäuberungen nach Bränden im Einsatz war. Einige seiner Arbeiter hatten zur zusätzlichen Geldbeschaffung Luftfirmen gegründet und dem Angeklagten sogenannte „Abdeckrechnungen“ ausgestellt. So konnte die Vorsteuer beim Finanzamt zurückgeholt werden. Alle Einnahmen hatte der Mann an der Steuer vorbei kassiert, heißt es in dem Urteil.

Der Vorsitzende Richter der 13. Strafkammer stellte deutlich fest, dass alle Firmen, mit denen der Angeklagte „zum Schein“ zusammenarbeitete, darunter Bau- und Serviceunternehmen für das Baugewerbe, reine Luftfirmen waren. Dies nur zum Zwecke, an der Steuer vorbei Gelder einzunehmen. Alle Rechnungen hatten keinerlei Leistungen inne. Die Löhne der Arbeiter wurden schwarz und nur in bar ausbezahlt, ohne Sozialabzüge, wobei auch die Sozialkassen um hohe Summen geschädigt wurden.

Ob die vom Gericht errechneten 2,8 Millionen Euro Schadenshöhe jemals erstattet werden, steht in den Sternen. Der Angeklagte selbst hat nach richterlichen Feststellungen bislang nichts zurück bezahlt. Mit in das Urteil aufgenommen haben die Stuttgarter Juristen, dass aus seinem Vermögen diese 2,8 Millionen Euro abzuschöpfen sind. Die gegen ihn verhängten zwei Jahre Haft sind zur Bewährung ausgesetzt worden. Und zwar nur deshalb, weil er nach dem Vorschlag der Strafkammer ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Bernd Winckler