Zwischen Neckar und Alb

„Mit weniger als 30 Prozent dürfen wir nicht zufrieden sein“

Kreis-CDU Der Nürtinger Politiker Thaddäus Kunzmann schlägt eine Mitgliederbefragung vor und stellt damit das traditionelle Zugriffsrecht von Parteichefin AKK infrage. Von Miriam Steinrücken

Fahnen mit dem CDU-Logo wehen am 04.12.12 beim 25. Bundesparteitag der CDU in Hannover (Niedersachsen) vor der Messehalle. Der C
Symbolfoto: Jochen Lübke/dpa
Verspürt bei der CDU zurzeit eine gewisse Unruhe: Thaddäus Kunzmann. Foto: Bulgrin
Verspürt bei der CDU zurzeit eine gewisse Unruhe: Thaddäus Kunzmann. Foto: Bulgrin

Der CDU-Kreisverband Esslingen will bundesweit Mitglieder befragen, wer bei der nächsten Kanzlerwahl für die Partei kandidieren soll. Bereits Anfang Oktober hat die Junge Union sich mit einer ähnlichen Forderung eine Abfuhr der Parteispitze geholt. Warum die Kreis-CDU jetzt erneut einen Vorstoß wagt und ob sie damit eine Kandidatur der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer verhindern will, sagt der Kreisvorsitzende Thaddäus Kunzmann im Interview.

Der CDU-Kreisverband Esslingen will die Parteimitglieder die Kanzlerkandidatenfrage entscheiden lassen. Welche Absicht steckt dahinter?

Thaddäus Kunzmann: So eine wichtige Entscheidung darf nicht hinter verschlossenen Türen getroffen werden. Wir wollen, dass die Breite der Partei in die Diskussion einbezogen wird. Uns geht es nicht darum, wer es machen soll, sondern um das Verfahren, wie wir zu einer Entscheidung kommen.

Die Junge Union hat bereits zuvor eine Urwahl des künftigen Kanzlerkandidaten gefordert. Wie unterscheidet sich davon die gewünschte Mitgliederbefragung des Esslinger Kreisverbands?

Kunzmann: Für eine Urwahl muss die Satzung geändert werden. Das geht nur, wenn die absolute Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder eines Bundesparteitags zustimmt. Eine Mitgliederbefragung dagegen ist niederschwelliger. Hier ist nur die Zustimmung der einfachen Mehrheit der Anwesenden eines Bundesparteitags erforderlich. Unser Verfahren ist vom Handling her besser als das der Jungen Union, weil dafür kein Aufwand an rechtlichen Vorbereitungen notwendig ist. Zwar ist eine Mitgliederbefragung für den Parteitag formal nicht bindend, moralisch aber schon.

CDU und CSU schicken einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten ins Rennen. CSU-Chef Markus Söder hat eine Urwahl jedoch bereits abgelehnt, der CSU-Parteitag vergangene Woche ebenso. Welche Chancen hat Ihr Vorstoß dann noch?

Bei Edmund Stoiber ist die Kanzlerkandidatenfrage am Küchentisch entschieden worden. Ein anderes Mal hat der Fraktionsvorsitzende zugegriffen. Bei Franz Josef Strauß gab es eine Kampfkandidatur in der Bundestagsfraktion. Das heißt: In der Vergangenheit wurde der gemeinsame Unions-Kanzlerkandidat mittels unterschiedlichster Verfahren bestimmt. Jetzt bringen wir halt ein weiteres Verfahren ins Spiel.

Traditionell hat die Parteivorsitzende das Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Trauen Sie Annegret Kramp-Karrenbauer einen Wahlsieg nicht zu? Oder wollen Sie Gegenkandidaten wie Ex-Fraktionschef Friedrich Merz , Bundesgesundheitsminister Jens Spahn oder den CSU-Vorsitzenden Markus Söder wieder ins Spiel bringen?

Die Funktionen innerhalb der Union waren noch nie auf so viele Personen verteilt wie jetzt: Aktuell gibt es eine Kanzlerin, die nicht mehr antreten will, zwei Parteivorsitzende und einen Fraktionsvorsitzenden. Da sind traditionelle Zugriffsrechte überholt. Die Mitglieder wollen mehr mitreden. Und das ist auch richtig so. So eine Frage muss man lösen von Personaldebatten. Die Parteivorsitzende ist zunächst einmal als Parteivorsitzende gewählt worden. Ob Annegret Kramp-Karrenbauer Kanzlerkandidatin werden will, hat sie meines Wissens noch nicht geäußert. Letztlich muss die CDU einen Kandidaten aufstellen, der die Chance hat, gewählt zu werden. Jemand, der in der Partei keine Mehrheit kriegt, wird auch in der Öffentlichkeit Probleme haben, eine Mehrheit zu finden. Insofern sehe ich das als Testfall.

Die SPD lässt ihre Mitglieder derzeit das Führungsduo wählen. Ist sie damit ein Vorbild für die CDU in Sachen Basisdemokratie?

Die SPD ist mit ihrem komplizierten, langwierigen Verfahren kein Vorbild. Aber natürlich ist es gut, wenn ein Mitglied die Möglichkeit hat, viele Kandidaten anzuschauen und dann zu wählen. Es gibt jedoch straffere Verfahren. Bei der CDU spüre ich eine gewisse Unruhe, wie es weitergeht. Wir verharren seit mindestens einem halben Jahr bei 27 oder 28 Prozent. Das macht mir Sorgen. Wir dürfen nicht irgendwann einmal zufrieden sein mit weniger als 30 Prozent, weil wir uns an die Umfragewerte gewöhnt haben. Das sind nicht unsere Ansprüche. Natürlich unterhält man sich in der Partei darüber, woran die gesunkenen Zustimmungswerte liegen könnten und wie man aus der Malaise wieder rauskommt. Aber alles, was ich bisher an Vorschlägen gehört habe, hat sich nicht realisieren lassen. Darum müssen wir unsere Strukturen überdenken. Wir müssen eine Partei werden, die nicht im Gremiendenken verhaftet ist. Eine Partei, bei der das einzelne Mitglied einen direkteren Weg hat, sich bemerkbar zu machen.