Zwischen Neckar und Alb

Mobile Arztpraxis für Flüchtlinge

Wohlfahrtspflege im Landkreis lädt zum Fachtag über Flüchtlingsarbeit

Sie geben Sprachkurse, sammeln Kleider und Fahrräder, begleiten zu Behörden und Ärzten, suchen Praktikumsplätze und Wohnungen – ohne die vielen Ehrenamtlichen ist die Unterstützung von Flüchtlingen in ihrem oft schwierigen Alltag kaum denkbar.

Kreis Esslingen. Wie die Praxis aussieht, wollte die Liga der freien Wohlfahrtspflege im Landkreis Esslingen herausfinden und lud ehrenamtliche Mitarbeiter zu einem Fachtag über Flüchtlingsarbeit ein. 80 Ehrenamtliche aus 26 Arbeitskreisen folgten der Einladung, da­runter Menschen, die sich erst auf die Ankunft von Flüchtlingen vorbereiten, und solche, die bereits über jahrelange Erfahrung verfügen. „Was läuft gut, wo gibt es Defizite und was sollte weiterentwickelt werden“, so umreißt Eberhard Haußmann, Vorsitzender der Liga und Geschäftsführer der Diakonie im Landkreis, die Fragen, die die Teilnehmer bewegten. Die Ergebnisse sollen in die Arbeit vor Ort einfließen. Bereits jetzt sei im Landkreis viel in Bewegung. Doch es gibt auch viele offene Baustellen.

Ende des Jahres werden in rund 50 Unterkünften im Kreis 3 900 Plätze bestehen, erklärt Haußmann. Das fordert die Ehrenamtlichen. Sie seien bereits jetzt kompetent und vielfältig unterwegs, betont Brigitte Chyle, Fachleiterin Soziale Hilfen bei der Caritas Fils-Neckar-Alb und stellvertretende Liga-Vorsitzende. „Sie bringen ihre Verbindungen ein und knüpfen Netzwerke.“ Damit sie nicht alleine stehen, hätten Mitglieder der Liga wie Caritas und Diakonie Stellen eingerichtet, die Ehrenamtliche begleiten. Dass Hauptamtliche die Arbeit vor Ort koordinieren, war beim Fachtag ein viel gehegter Wunsch. „Wir wünschen uns eine hauptamtliche Begleitung und auch Supervision“, sagt Helmut Püschel vom Arbeitskreis Asyl in Oberensingen. Auch mangle es den ehrenamtlichen Helfern zuweilen an konkreten Informationen, ergänzt Gertraud Sieler, ehrenamtlich im Freundeskreis für Flüchtlinge in Wernau engagiert.

Konkret haben sich die Teilnehmer beim Fachtag mit verschiedenen Arbeitsfeldern befasst. Ein großes Problem sei noch die medizinische und psychologische Versorgung der häufig traumatisierten Menschen. Oft sei es schwierig, für die Flüchtlinge einen Arzttermin zu bekommen. Und wenn dies gelinge, sei der bürokratische Aufwand groß, erzählt Püschel. Eine Gesundheitskarte und die gleichen Gesundheitsleistungen wie für deutsche Patienten fordert Chyle deshalb. Eine mobile Arztpraxis hält sie zudem für eine gute Idee. Weil die Verständigung nicht nur beim Arzt oft schwierig ist, brauche es einen Dolmetscherpool.

Auch bei den Sprachkursen hapert es. „Wir Ehrenamtlichen können nur die Basis legen“, betont Sieler. Die Politik sei gefordert, einen professionellen Spracherwerb von Anfang an zu ermöglichen und zu bezahlen, so Chyle. Die derzeitige Pauschale von einmalig 91 Euro reiche bei Weitem nicht aus. „Wenn wir die Menschen integrieren wollen, müssen verpflichtend Deutschkurse laufen“, ergänzt Püschel.

Flüchtlinge dürfen gemeinnützige Arbeit leisten, Praktika machen und nach einer bestimmten Frist auch einer regulären Arbeit nachgehen. Doch auch dies scheitere oft an der Bürokratie, berichtet Sieler. „Es gibt Firmen, die bereit wären, aber dann bekommen wir oft eine Ablehnung vom Ausländeramt.“ Dieses muss prüfen, ob nicht ein Deutscher oder EU-Ausländer Interesse an dem Job hat. Für Haußmann ist klar: „Wir brauchen rasch gesetzliche Voraussetzungen, die Praktika oder andere Arbeit erleichtern und eine Servicestelle zur Vermittlung von 1,5-Euro-Jobs.“

Wer als Flüchtling anerkannt ist oder 24 Monate in einer Gemeinschaftsunterkunft gelebt hat, muss ausziehen. Bezahlbaren Wohnraum zu finden, sei schwer angesichts fehlender Sozialwohnungen und explodierender Mietpreise, sagt Haußmann. Er fordert deshalb, dass das Land ein Wohnungsbauprogramm auflegt und Belegrechte sichert.

Püschel stellt bei Behörden zuweilen einen Mangel an Gespür im Umgang mit Flüchtlingen fest. „Es herrscht oft keine Willkommenskultur.“ Er wünscht sich deshalb interkulturelle Schulungen für die entsprechenden Mitarbeiter. Doch Haupt- wie Ehrenamtliche wollen nicht nur klagen: „Vieles läuft auch gut“, betont Haußmann und nennt den Aufbau der Infrastruktur. Er wünscht sich aber unter anderem den Abbau bürokratischer Hindernisse. pm