Zwischen Neckar und Alb

Möglichst lange autonom leben

Medizin Professor Andrej Zeyfang leitet eine neue Abteilung in der Ruiter Klinik, die sich mit Altersmedizin beschäftigt. Seine Devise: nicht als Pflegefall die Klinik verlassen, sondern danach auf eigenen Beinen stehen. Von Roland Kurz

96 Jahre alt ist die erste Patientin, die Professor Andrej Zeyfang in der Klinik für Altersmedizin aufgenommen hat.Foto: Roberto
96 Jahre alt ist die erste Patientin, die Professor Andrej Zeyfang in der Klinik für Altersmedizin aufgenommen hat.Foto: Roberto Bulgrin

Wenn alte Menschen ins Krankenhaus eingeliefert werden, haben sie häufig nicht nur einen Infarkt erlitten oder den Oberschenkel gebrochen. Sie bringen andere Krankheiten mit wie Diabetes, Infektionen oder Demenz. Dies alles in den Blick zu nehmen, das soll die neue Abteilung für Altersmedizin im Ruiter Krankenhaus leisten. Mit Professor Andrej Zeyfang hat die medius-Klinik einen renommierten Spezialisten gefunden.

Angesichts der demografischen Entwicklung sei die neue Abteilung eine „gesundheitspolitische Notwendigkeit“, sagte Landrat Heinz Eininger bei der feierlichen Einführung des Chefarztes. Schon im Jahr 2030 werden mehr als 90 000 Bewohner des Landkreises über 70 Jahre alt sein, das entspricht der Einwohnerzahl Esslingens. Die neue Abteilung in Ruit wird 20 Betten haben, außerdem sind ihr acht Betten für die Palliativmedizin zugeteilt worden. Er übernehme in diesem Bereich das eingespielte Team von Chefarzt Bodo Klump, freute sich Zeyfang. Auch mit dem umgebauten Altbau ist er zufrieden.

Anfang Oktober hat die Abteilung ihre erste Patientin aufgenommen, eine 96-Jährige. Inzwischen sind es neun Patienten, was gemessen am momentanen Personalstand eine Auslastung von 110 Prozent bedeute, berichtete Zeyfang. Erst Ende des Jahres soll die Abteilung vollständig aufgebaut sein.

Der 55-jährige Chefarzt versteht seine Klinik als Akut-Geriatrie, also nicht rein versorgend oder rein rehabilitativ. Das klare Ziel: Die Patienten sollen das Krankenhaus nicht als Pflegefall verlassen, sondern sollen auf den eigenen Beinen stehen und noch möglichst lange Zuhause autonom leben. Dazu zeigte der Chefarzt ein Foto seines bislang ältesten Patienten: Ein lächelnder 105-Jähriger, der nach einer Lungenentzündung wieder gesund nach Hause gehen konnte.

Zeyfang und die Forschung

Multimorbidität ist das Kennzeichen vieler geriatrischer Patienten. In der klassischen Krankenhaus-Behandlung sei es dann schwer, klare Ziele zu setzen. Deshalb soll beispielsweise der ältere Patient mit Oberschenkelhalsbruch wenige Tage nach der Operation in die Akut-Geriatrie verlegt werden. Dort nimmt der Altersmediziner alles in den Blick. Die interdisziplinäre Behandlung kann von einem ganzen Spektrum an Therapien wie Ergotherapie, Logopädie oder Physiotherapie sowie der Diabetes- und Ernährungsberatung begleitet werden.

Der neue Chefarzt, der in Rom studiert hat, ist auch seit vielen Jahren forschend unterwegs. Er leitet die Arbeitsgruppe Diabetes in der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Er erstellte auch eine Studie, die sich mit der Vermeidung von Stürzen und Gebrechlichkeit bei Älteren befasst. Die EU, die diese Studie bezuschusste, erteilte ihr die Note vorbildhaft. Aus ihr entsteht derzeit ein Programm für Übungsleiter.

Andrej Zeyfang, der zuletzt Ärztlicher Direktor der Stuttgarter Bethesda-Klinik war, lebt in Ruit. Deshalb hat er die Entwicklung des Ruiter Krankenhauses seit Jahren verfolgt und seine Kollegen kennengelernt. So sei gemeinsam die Idee zur neuen Abteilung gereift, berichtete Christian Herdeg, der Ärztliche Direktor des Ruiter Krankenhauses. Die demografische Entwicklung betrachtet Herdeg als Herausforderung an die Kliniken: sie erfordere Arbeit, sprechende Medizin und manchmal auch Barmherzigkeit angesichts des Niedergangs eines demenzkranken Menschen.

Drei Fragen an Professor Andrej Zeyfang

1. Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Abteilung?

Wir schauen ältere Patienten umfassend an: Welche anderen Erkrankungen und Funktionsstörungen bringt er mit? Häufig geht es auch um Diabetes, Infektionen von Harnwegen, oder um eine Herzschwäche, die mit Wassereinlagerungen verbunden ist. Auch viele Patienten, die gestürzt sind, kommen zu uns. Ziel ist immer, dass der Patient wieder auf die Beine kommt und nicht zum Pflegefall wird.

2. Inwiefern wirkt sich Ihre Arbeit auf das gesamte Krankenhaus aus?

Wenn beispielsweise ein älterer Mensch nach der Operation verwirrt erscheint, sind die Angehörigen hilflos. Wir begleiten den alten Menschen und versuchen, Probleme zu vermeiden. Dazu werfen wir einen Blick auf die Medikamente, die von der Altersmedizin anders betrachtet werden. Schön wäre, wenn das ganze Krankenhaus etwas mehr „demenz-sensibel“ denkt.

3. Auf welche Weise kann eine Akut-Abteilung zur Prävention beitragen?

Nehmen wir das Beispiel Demenz: Wir haben weniger Demenzkranke als erwartet, weil wir gelernt haben, wie man Demenz verhindern kann. Und das hat viel mit der Vorbeugung zu tun. Alles, was dem Herz und den Gefäßen gut tut, wirkt auch gegen Demenz. Alle Patienten meiner Abteilung bekommen eine Beratung zu Ernährung und Bewegung. Damit wollen wir Gebrechlichkeit verhindern.rk