Nach langem Ringen um ein Informationszentrum für das Bahnprojekt Stuttgart - Ulm in Wendlingen ist eine Lösung gefunden. Bürgermeister Steffen Weigel und Bahnprojekt-Vertreter David Bösinger haben im Wendlinger Rathaus eine Informationsecke eröffnet. Dort haben Besucher die Möglichkeit, sich mit digitalen Medien, Prospekten, Modellen und Luftbildern kundig zu machen. „Wenn die Menschen Bescheid wissen, gibt es weniger Konflikte“, ist Weigel überzeugt.
Der große Ärger über das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist nach Weigels Worten auch auf Informationsdefizite zurückzuführen. Nach den Erfahrungen in der Landeshauptstadt Stuttgart, wo die Auseinandersetzung über das umstrittene Bahnprojekt eskaliert sind, kämpfte Weigel vehement für das Informationszentrum in seiner Stadt. Als im Frühjahr 2017 das Aus für das geplante Projekt an der Wendlinger Großbaustelle kam, bat er die Vertreter der Bahn zum Gespräch. Und das mit Erfolg: „Sie haben eingesehen, dass die lärmgeplagten Bürger ein Recht darauf haben, umfassend informiert zu werden.“
In Wendlingen werden neben dem acht Kilometer langen Albvorlandtunnel auch zwei Brücken über das Neckartal und die Anschlüsse an die Bahnstrecke Plochingen-Tübingen gebaut. Obwohl im zweiten Stockwerk des Rathauses nur die abgespeckte Version eines Infozentrums machbar ist, haben David Bösinger und sein Team vom Förderverein ein multimediales Angebot geschaffen, das Besucher aller Generationen erreicht.
Bösinger kam mit Georg Brunnhuber, dem Vorsitzenden des Vereins Stuttgart 21, der sich um Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerinformation kümmert, nach Wendlingen. Dem Verein war nicht nur das Infomobil gestrichen worden, das durch die betroffenen Städte und Gemeinden tourte. Auch das Wendlinger Infozentrum konnte er nicht mehr finanzieren. Da brachte Weigel die Idee ins Spiel, im Rathaus ein kleines Informationszentrum einzurichten. Neben einem Modell der Bahn-Bauprojekte, das die Stadt in Auftrag gegeben hat und das die Bahn nun aufpeppen lässt, ist da eine Schautafel zu sehen, auf der die Chronologie des Projekts zusammengefasst ist. Über einen Bildschirm haben Besucher Zugang zu multimedialen Inhalten. Ein Drohnenflug über die Baustelle ist da ebenso zu erleben wie Einblicke in die Arbeit der Tunnelvortriebsmaschine. „Die Technik ist ja auch faszinierend“, findet Weigel. Auf so einer Baustelle gebe es viel interessantes Ingenieurwissen zu vermitteln. Dem Verwaltungschef ist wichtig, die Bürger bei den Baufortschritten mitzunehmen. „Wir in Wendlingen sind besonders von Lärm und Sperrungen belastet.“ Die Sorgen der Bürger will er sehr ernst nehmen. Wenn man den Betroffenen zeige, weshalb diese Arbeiten nötig sind, lasse sich im Vorfeld viel Konfliktstoff abfedern.
Das sieht auch Bösinger so, der als Chef des Stuttgarter Turmforums viele Angebote macht, um die Bürger über Baufortschritte zu informieren. „Am griffigsten ist das zu erklären, wenn man selbst auf der Baustelle steht.“ Deshalb soll es nach seinen Worten ab September zwei Mal pro Woche auch in Wendlingen Baustellenführungen geben. Für die betroffenen Bürger aus Wendlingen, Köngen, Unterensingen und Oberboihingen sollen die geführten Touren sogar kostenlos sein, alle anderen zahlen dafür zwölf Euro.
Bösinger ist überzeugt, dass der S-21-Förderverein mit dem Infotainment „viele Bürger erreicht und für das Projekt begeistern kann“. In die Bürgerinformation investiert die Bahn immerhin rund 15 000 Euro. Die „vorbildliche Zusammenarbeit mit der Stadt“ ermöglicht dem S-21-Verein nun, die Wendlinger Bürger doch vor Ort zu informieren.