Zwischen Neckar und Alb

Nach der Wahl fliegen im Netz die Fetzen

Bürgermeisterwahl Nach Ansicht einiger Internet-Kommentatoren fehlt den Hochdorfer Gemeinderäten, die mit Bürgermeister Kuttler unzufrieden sind, nun die „Legitimation“ für ihr Ehrenamt. Von Roland Kurz

Für die beiden Kandidaten war die Auseinandersetzung nach dem Wahlabend erledigt. Herausforderer Benjamin Haar (links) gratulier
Für die beiden Kandidaten war die Auseinandersetzung nach dem Wahlabend erledigt. Herausforderer Benjamin Haar (links) gratulierte Bürgermeister Gerhard Kuttler. Beide attestierten sich einen fairen Wahlkampf. Foto: Roberto Bulgrin

Wieder runter kommen“, das empfiehlt der stellvertretende Bürgermeister Siegfried Albrecht (CDU) jenen Hochdorfer Bürgern, die sich nach der Bürgermeisterwahl im Internet heftige Wortgefechte liefern. Etliche Diskutanten fordern den Rücktritt von Gemeinderäten, die sich kritisch zur Amtsführung von Gerhard Kuttler geäußert hatten. SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Bagdahn, die im Falle von Kuttlers Wahlsieg ihren Rücktritt angekündigt hatte, hat dieses Gesuch im Rathaus bereits eingereicht.

Nach Ansicht einiger Internet-Kommentatoren fehlt den Gemeinderäten, die mit Bürgermeister Kuttler unzufrieden sind, nun die „Legitimation“, ihr Ehrenamt weiterhin auszuüben. Die drei Fraktionen - SPD, Mitte und Grüne - müssten „die Konsequenzen ziehen“. Es sei auch ein in Baden-Württemberg „einmaliger Vorgang“, dass eine Gemeinde und ihr Bürgermeister derart lange „medienwirksam schlecht gemacht“ worden seien. Vor der Wahl habe es nicht nur „Kritik“ an Kuttler gegeben, sondern „Hetze“. In Hochdorf habe man schon einmal einen Bürgermeister „verjagt“, heißt es im Netz, womit an Vorgänge um den früheren Bürgermeister Franz Wirtgen vor mehr als 30 Jahren erinnert wird.

Nach diesem „noch nie dagewesenen Shitstorm“ appellierte CDU-Gemeinderat Siegfried Albrecht zu Beginn der jüngsten Sitzung, doch lieber zu schauen, wie der „angeblich zerstrittene“ Gemeinderat mit Kuttler erfolgreich weiterarbeiten könne. Gerhard Kuttler selbst gab ebenfalls das Motto aus: „Wir schauen jetzt nach vorne.“ Der Gemeinderat habe in den vergangenen acht Jahren „vernünftig“ zusammengearbeitet, er habe nach dem Presseartikel zur Kandidatensuche weiter gearbeitet und werde das auch nach der Wahl tun.

Zu den Diskussionen während des Wahlkampfs sagte Kuttler: „Wer Wind sät, muss auch einen gewissen Gegenwind aushalten.“ Damit wolle er es aber bewenden lassen, es bringe nichts, in der Vergangenheit zu verweilen. Kuttler bestätigte, das Rücktrittsgesuch der SPD-Vorsitzenden erhalten zu haben.

Sie habe den Brief schon am Montag im Rathaus abgegeben, sagte Bagdahn selbst. Sie betont, sie trete nicht wegen der Debatte im Internet zurück, sondern weil sie schon vor Jahren gesagt habe, sie werde im Falle von Kuttlers Wiederwahl aufhören. Sie akzeptiere das Wahlergebnis, aber: „Kuttler und ich, das funktioniert halt nicht.“ Deshalb habe sie auch nach einem Gegenkandidaten gesucht.

Einige Hochdorfer hatten offenbar schon für die Suche nach einem Kandidaten kein Verständnis. Die „sinnlose Alternativ-Kandidatur“ und der „Nörgel-Wahlkampf“ habe einen unnötigen Graben geschaffen. Das Zerwürfnis müsse nun Kuttler wieder kitten.

Im Gemeinderat mögen kleine oder größere Gräben existieren, doch im Wahlkampf gingen die Kandidaten fair miteinander um. Das sieht Kuttler so, und Albrecht hat beiden Kandidaten ausdrücklich für den fairen Wahlkampf gedankt. Der sei nur durch einige „idiotische Vorkommnisse“ getrübt worden. So wurden beispielsweise Wahlplakate des Amtsinhabers abgerissen. Auch im Internet sei teilweise unter der Gürtellinie zugelangt worden.

Auch nach der Wahl geben einige Bürger keine Ruhe. Die Fraktionen müssten sich jetzt ändern, nicht der Amtsinhaber, heißt es. Ein anonymer Schreiber namens „Aufbruch“ leitet aus der Zwei-Drittel-Mehrheit für Kuttler ab, dass nun SPD, Grüne und die Mitte zurücktreten sollten: „Machen Sie den Weg frei.“

Albrecht weist die Auflösung des Gemeinderats als „unsinnige Forderung“ zurück. Der stellvertretende Bürgermeister nennt das Verlangen nach Neuwahlen „völlig absurdes Theater“. Alle 15 Räte seien nach demokratischen Grundsätzen gewählt und auf das Wohl der Gemeinde verpflichtet worden - und zwar für die gesamte Amtszeit. Andrea Holzer, Fraktionsvorsitzende der Grünen, betont ebenfalls, sie sei auf fünf Jahre gewählt. Am Ende der Amtsperiode werde sie aber vermutlich aufhören. Dann könnten sich „alle, die meinen, es besser machen zu können, aufstellen und wählen lassen“.

Die Lust, sich 2019 um das Ehrenamt zu bewerben, wird möglicherweise aufgrund dieser Nachwahl-Debatte nicht so groß sein. Das befürchtet Andrea Bagdahn ebenso wie Siegfried Albrecht. Wer wolle sich denn nach diesen „unappetitlichen Anschuldigungen“ noch aufstellen lassen, fragt der CDU-Mann.