Zwischen Neckar und Alb

Netz für die Entwurzelten

Der Landkreis will große Flüchtlingsunterkünfte mit WLAN ausstatten, steht damit aber noch am Anfang

Flüchtlinge brauchen einen Zugang zum Internet, um Kontakt mit ihren Familien halten zu können. Im Landkreis Esslingen ist aller
Drei Sporthallen im Kreis Esslingen waren mit Flüchtlingen belegt. Jetzt sind die Hallen wieder frei und werden saniert.

Kreis Esslingen. Flüchtlinge brauchen einen Zugang zum Internet, da ist man sich bei den Behörden einig.

Das Land hat bereits alle Erstaufnahmestellen mit WLAN ausgestattet, doch im Kreis Esslingen ist man noch weit davon entfernt. Bislang hat die Kreisverwaltung lediglich eine Unterkunft in Aichtal ans frei verfügbare Netz angeschlossen. Ohnehin will das Landratsamt nur Einrichtungen mit mehr als 100 Bewohnern mit WLAN ausstatten – einige kleinere Asylbewerberheime wurden jedoch bereits von privater Seite versorgt.

Die Kreisverwaltung will mit dem freien Netzzugang für mehr Ruhe in den Unterkünften sorgen. „Man kann durchaus sagen, dass WLAN die Situation entspannen kann“, sagt Peter Keck, Sprecher des Landratsamtes. Allein schon, weil die Flüchtlinge dann nicht zu öffentlichen Zugangspunkten pilgern müssten. Deshalb habe man quasi als Pilotprojekt bereits vor einigen Monaten freie Internetzugänge in einer Aichtaler Unterkunft installiert. Dieses sei sehr gut angenommen worden, sagt Keck – gewissermaßen zu gut: Der VDSL-Anschluss mit einer Leistung von maximal 50 Mbit und sechs Zugangspunkten habe bei Weitem nicht für die 300  Bewohner ausgereicht. Man wisse nun, dass man für Unterkünfte dieser Größe etwa das Dreifache brauche.

Mit dieser Erfahrung im Gepäck will der Landkreis als nächstes eine Unterkunft in Neuffen mit WLAN ausstatten. Nach und nach sollen auch alle anderen der insgesamt 17  Asylbewerberheime mit mehr als 100 Bewohnern im Kreis – davon befinden sich zwei in der Stadt Esslingen – folgen. Pro Unterkunft rechne der Kreis mit Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich für die Einrichtung sowie im niedrigen fünfstelligen Bereich für den laufenden Betrieb im Jahr, sagt Peter Keck. Genauer könne man die Ausgaben derzeit noch nicht beziffern.

Im Landratsamt hält man es laut Keck nicht für zwingend erforderlich, auch kleinere Unterkünfte mit freien Internetzugängen auszustatten: „Irgendwo muss man die Grenze ziehen“, sagt der Sprecher. Zumal der Kreis vor allem das Ziel habe, die Stimmung zu befrieden. Das sei in erster Linie bei großen Einrichtungen wichtig. Allerdings hätten private ­Initiativen auch den Bewohnern einiger kleinerer Unterkünfte zu WLAN verholfen. An wie vielen und an welchen Standorten das der Fall sei, wisse er aber nicht, teilt Keck mit.

Beim Verein Freifunk Stuttgart kann man ebenfalls nicht mit aktuellen Zahlen für den Landkreis Esslingen dienen. Aber Thomas Renger, Vorsitzender des Vereins, berichtet, man sei derzeit dabei, hier in mehreren Flüchtlingsunterkünften Internetzugänge zu installieren. Der Verein ist vor allem für Privatinitiativen und Wohlfahrtsorganisationen, die Asylbewerbern zu WLAN verhelfen wollen, ein beliebter Ansprechpartner. Denn Freifunk hat eine eigene Routersoftware entwickelt, die es Privatpersonen ermöglicht, öffentliche Zugänge zum Internet anzubieten, ohne von der sogenannten Störerhaftung betroffen zu sein. Diese beinhaltet unter anderem, dass eine Privatperson als Betreiber eines Zugangspunktes dafür haftbar gemacht werden kann, wenn darüber illegale Inhalte verbreitet werden.

In der Region Stuttgart habe Freifunk bereits um die 100 Flüchtlingsunterkünfte mit WLAN versorgt, sagt Renger. „Aber wir sind kein Internet-Anbieter, sondern wir bieten ehrenamtlich Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt der Vereinsvorsitzende. Freifunk sei auch kein Verein für Internet für Flüchtlinge, sondern habe das Ziel, ein freies Netzwerk in Nutzerhand aufzubauen. Im Raum Stuttgart habe man derzeit etwa 500 Mitstreiter, die teils mehrere Freifunkknoten betreiben, berichtet Renger.

Aber es gibt auch professionelle Internetanbieter, die kostenlos Anschlüsse in Flüchtlingsunterkünften legen – allerdings meist nicht öffentlich genannt werden wollen, um keine Begehrlichkeiten zu wecken. Auf diese Weise wurde etwa im Esslinger Stadtteil Mettingen jüngst auf private Initiative hin ein Heim mit 22 Bewohnern mit WLAN ausgestattet. Auch das Land Baden-Württemberg greift bei der Ausrüstung seiner Erstaufnahmestellen auf professionelle Anbieter zurück – allein schon, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.

Im vergangenen Sommer hatte das Land einen Kabinettsbeschluss verabschiedet, nach dem alle Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge mit WLAN versorgt werden sollten. Man habe erkannt, dass die Flüchtlinge ein Informationsbedürfnis haben, sagt Christoph Häring, Pressesprecher des Integrationsministeriums. „Sie brauchen einen Internetzugang, um Kontakt mit ihren Familien zu Hause halten zu können.“ Man habe gemerkt, dass dies essenziell für ein gutes Zusammenleben in den Unterkünften sei: „Das hält die Moral und die Stimmung hoch.“

Offenbar waren in manchen Orten Flüchtlinge zu Hunderten von ihrer Unterkunft zu Bereichen mit freiem WLAN, etwa im Ortszentrum, gepilgert. Deshalb entschied das Land, dass Standorte, die für mehr als drei Monate als Flüchtlingsunterkunft vorgesehen seien, mit Internetzugängen ausgestattet werden sollten. Laut Thomas Götz, Projektleiter Digitalisierung Asyl bei der landeseigenen IT-Behörde BITBW, sind seit Januar alle 41 Erstaufnahmestellen ans WLAN angeschlossen. Dafür seien insgesamt rund 1 000 Zugangspunkte in ganz Baden-Württemberg installiert worden, das Land habe mehr als eine halbe Million Euro in diesen Service investiert, teilt Götz mit.