Zwischen Neckar und Alb

Neue Drehscheibe für den Zugverkehr?

Nahverkehr Der Verband Region Stuttgart hat die Weiterführung der S-Bahn-Linie 1 nach Nürtingen in die Diskussion gebracht. Eine Umsetzung dieses Konzepts wäre ab Ende 2025 möglich. Von Lutz Selle

Bald womöglich Realität: Die S-Bahn-Linie 1 in Richtung Nürtingen. Fotomontage: Holzwarth
Bald womöglich Realität: Die S-Bahn-Linie 1 in Richtung Nürtingen. Fotomontage: Holzwarth

Ab Dezember 2025 könnte die S-Bahn in Nürtingen und Oberboihingen halten. Thomas Bopp, Präsident des Verbandes Region Stuttgart, hat die Idee öffentlich gemacht, die Linie S1 von Plochingen aus kommend im Wechsel nach Kirchheim und Nürtingen fahren zu lassen. In Nürtingen ließe sich dann in die Metropolexpresszüge umsteigen.

Derzeit fahren die S-Bahn-Züge der Linie 1 im 30-Minuten-Takt von Stuttgart aus über Esslingen, Plochingen, Wernau und Wendlingen nach Kirchheim. Zu den Hauptverkehrszeiten zwischen 5 und 10 Uhr sowie zwischen 15 und 20 Uhr fährt die S1 zwischen Stuttgart und Plochingen sogar jede Viertelstunde. Eine Ausdehnung des 15-Minuten-Taktes über Plochingen hinaus bis nach Kirchheim ist derzeit jedoch nicht möglich, da die Strecke zwischen Wendlingen und der Teckstadt zum Teil eingleisig ist. Stattdessen könnte bei einem mittelfristig geplanten durchgängigen Viertelstunden-Takt jede zweite Bahn über Oberboihingen nach Nürtingen weiterfahren. Damit könnte sowohl Kirchheim als auch Nürtingen zweimal pro Stunde von einer S-Bahn erreicht werden.

Dahinter steckt der Plan, dass in Nürtingen nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 ein Umsteigen auf die dann fahrenden Met­ropolexpresszüge möglich wäre. Diese sollen einmal von Nürtingen aus Richtung Reutlingen und Tübingen fahren. Somit würde der Nürtinger Bahnhof zu einer neuen Drehscheibe für den Zugverkehr.

Nachfrage ist entscheidend

Die Verbindung von Nürtingen über die noch zu bauende „Große Wendlinger Kurve“ auf die Fildern für die Metropolexpresszüge sieht Dr. Jürgen Wurmthaler, Leitender Direktor des Verbands Region Stuttgart, als große Chance zur zügigeren Verbesserung des Nahverkehrs rund um Stuttgart. Denn eine ebenfalls in der Diskussion stehende Verlängerung der S-Bahn-Linie 2 ins Neckartal wird nicht vor Mitte der 2030er-Jahre umsetzbar sein.

Wie groß die Chance ist, dass tatsächlich 2026 die S 1 in Nürtingen hält, vermag der Regionaldirektor nicht einzuschätzen. „Ich halte es für eine realistische Idee. Es kommt nun darauf an, wie alle beteiligten Akteure dazu stehen“, sagt er. Als mögliche Alternative bereits beauftragt sei die Machbarkeitsstudie für einen Ausbau der Strecke zwischen Wendlingen und Kirchheim, sodass auf diesem Abschnitt einmal ein 15-Minuten-Takt möglich wird. „Was eher realisierbar ist, hängt von den finanziellen Bedingungen und der zu erwartenden Nachfrage ab.“ Untersucht werden soll nun auch, welche Ausbaumaßnahmen bei einer Verlängerung der S1 nach Nürtingen nötig würden.

Chance für Oberboihingen

Vor dem Start von Stuttgart 21 kann die S-Bahn aus Sicht von Wurmthaler noch nicht Nürtingen ansteuern. „Die Trasse ist jetzt noch durch die Regionalzüge von Nürtingen nach Plochingen belegt. Erst wenn einmal ein Teil der Züge auf die Fildern weiterfährt, gibt es auf den Gleisen nach Plochingen genug Luft für diese Idee.“

Eine Kommune ist jetzt schon begeistert von der Idee: Oberboihingen. „Für unseren Ort wäre das eine Riesenchance“, sagt Bürgermeister Torsten Hooge. „Es wäre toll, wenn das auch zeitnah klappen würde.“ Schließlich würde die Anbindung der S-Bahn an Nürtingen auch einen S-Bahn-Halt in Oberboihingen mit sich bringen. Aus Sicht von Hooge wäre es die ideale „Interimslösung“, bevor Mitte der 2030er-Jahre einmal eine S-Bahn-Verbindung von Nürtingen zum Flughafen möglich werden könnte.

Die Bevölkerung von Oberboihingen bekomme derzeit in Form von Lärm, Erschütterungen und Baustellen hauptsächlich die Nachteile des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur zu spüren. „Es wäre schön, wenn Oberboihingen auch von den Vorteilen profitiert - durch eine bessere Anbindung an die Landeshauptstadt - und nicht alle Züge nur vorbeifahren.“ Derzeit sei Oberboihingen „eher schlecht angebunden“ an das öffentliche Nahverkehrsnetz, stellt Hooge fest. „Nur mit einem attraktiven Angebot bringen wir mehr Pendler auf die Schiene.“

Grundsätzlich unterstütze er den Ausbau des S-Bahn-Netzes, sagt der Grünen-Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz. Er favorisiere daher eine Tangential-S-Bahn von Kirchheim über die Fildern nach Böblingen. Schwarz kann sich auch gut vorstellen, „dass der Viertelstundentakt auf der S1 verlängert wird und die Züge in Wendlingen aufgeteilt werden, sodass der vordere Zugteil nach Kirchheim und der hintere nach Nürtingen fährt.“