Zwischen Neckar und Alb

Nicht jeder kriegt was vom Wohlstand ab

Wirtschaft Die IHK warnt davor, sich auf guter Konjunktur auszuruhen. Ohne Fortschritt profitiere die nächste Generation nicht.

Kreis Esslingen. Die Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen der Industrie- und Handelskammer (IHK) betrachtet mit Sorge die aus ihrer Sicht mangelhaft ausgeprägte Bereitschaft in der Region, sich infrastrukturellen Herausforderungen zu stellen. Das betrifft vor allem den herrschenden Mangel an Flächen für Wohnungen und Gewerbe. Kammerpräsident Heinrich Baumann sieht die Gefahr, dass künftigen Generationen die Chance genommen wird, am allgemeinen Wohlstand im Landkreis teilzuhaben.

Die Zahl der Menschen, die nicht mehr im Arbeitsprozess sind, nimmt zu. Viele von ihnen werden in ihren Wohnungen bleiben. Und weil Wohnbauflächen fehlen oder in der Bevölkerung auf Widerstand stoßen, haben Zuzügler, die in den Städten und Gemeinden des Landkreises arbeiten wollen, wenig Chancen. „Vielleicht sollten wir einmal darüber nachdenken, woher unser Wohlstand kommt“, mahnt IHK-Chef Baumann. Er hat die Beobachtung gemacht: „Wo der Wohlstand groß ist, da ist die Bereitschaft zu Veränderungen gering.“ Deshalb fordert Baumann zusammen mit den Kammer-Vizepräsidenten Heike Gehrung-Kauderer, Alexander Kögel und Stefan Russ einen breiten Umdenkungsprozess, an dem sich alle gesellschaftlichen Kreise beteiligen müssten.

Kein Personal, kein Restaurant

Auch wenn man sich derzeit über die Konjunktur im Landkreis keine Sorgen machen muss, warnt die Kammer vor Risiken. Dazu gehört auch der fortschreitende Fachkräftemangel. Heike Gehrung-Kauderer berichtet von Fällen aus der Gastronomie, wonach Betriebe über eine Schließung nachdenken oder ihren Service stark einschränken müssen, weil sie kein qualifiziertes Personal finden. Junge Menschen für die duale Ausbildung mit Berufsschule und Praxis im Unternehmen zu begeistern, sieht die IHK als eines ihrer zentralen Ziele an. „Im Ausland werden wir um unser duales System beneidet“, betont Baumann. Den Trend, wonach die meisten Schüler nach dem Abitur automatisch ein Studium anstreben, hält er für bedenklich.

Zu guten Rahmenbedingungen, wie sie von der IHK für die örtlichen Unternehmen gefordert werden, zählt neben Flächen für Wohnungen und Gewerbe auch eine bessere Verkehrsinfrastruktur sowie eine deutlich bessere Versorgung mit Breitband für ein schnelles Internet. Dabei handele es sich ebenso um wichtige Faktoren, von denen die positive Entwicklung des Wirtschaftsstandortes abhänge. Mit Blick auf die Digitalisierung bietet die Bezirkskammer ihren rund 30 000 Mitgliedsunternehmen Unterstützung an, um den Prozess zu fördern. Christian Dörmann