Zwischen Neckar und Alb

Nicolas Fink beerbt Wolfgang Drexler

Politik Wolfgang Drexler hört nach 30 Dienstjahren im baden-württembergischen Landtag auf. Ein Schritt, der ihm emotional schwer fällt. Er übergibt sein Landtagsmandat an Nicolas Fink. Von Christian Dörmann

Große Fußstapfen: Drexler (links) übergibt im nächsten Jahr an Nicolas Fink Fotos. Roberto Bulgrin
Große Fußstapfen: Drexler (links) übergibt im nächsten Jahr an Nicolas Fink Fotos. Roberto Bulgrin

Eine für heutige Verhältnisse lange Zeit hat es Wolfgang Drexler geschafft, seine Entscheidung geheim zu halten. Denn schon vor den Sommerferien hat er mit Nicolas Fink gesprochen und sich die Zusicherung abgeholt, dass der heutige Aichwalder Bürgermeister Drexlers Mandat im baden-württembergischen Landtag übernimmt. Doch an diesem Donnerstag, als er während einer Pressekonferenz gegenüber der EZ bekannt gab, dass er als Abgeordneter zum Ende dieses Jahres aufhört, klingelte bereits sein Handy. Irgendjemand musste also nicht dicht gehalten haben - und die Nachricht hatte sich schnell über den Flurfunk im Landtag verbreitet.

Wolfgang Drexler, der die öffentliche Bekanntgabe des Rückzugs zunächst als Halbzeitbilanz seiner Arbeit in der laufenden Legislaturperiode getarnt hatte, fiel die eigentliche Botschaft sichtlich schwer. Er hört auf in Stuttgart, weil das Mandat zusammen mit vielen ehrenamtlichen Verpflichtungen an den Kräften zehrt. Im vergangenen Jahr musste er eine Lungenembolie und einen Hörsturz überstehen - diese Warnungen nimmt er ernst, und für seine Familie will er mehr Zeit haben. Was freilich nicht heißt, dass er von der politischen Bildfläche verschwindet. Als Esslinger Stadt- und Kreisrat macht er weiter. Und er will sein Mandat zum Ende dieses Jahres geordnet übergeben. Dazu gehören auch seine Pflichten als Vorsitzender des Landtagsuntersuchungsausschusses „Das Unterstützerumfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden Württemberg“. Ein 1 300 Seiten langer Abschlussbericht soll im Dezember im Landtag diskutiert werden. Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, Sprecher des Bahnprojektes Stuttgart 21, Vizepräsident des baden-württembergischen Landtags: Das sind nur einige Stationen der landespolitischen Karriere von Wolfgang Drexler. Dass er auf das Mandat verzichtet, und nicht auf seine Ehrenämter, dürfte kaum Erstaunen auslösen. Denn er hat sich mit den Menschen immer eng verbunden gefühlt. „Ich mag Menschen“, sagt er, und tröstet sich immerhin mit der Gewissheit, dass sein Nachfolger Nicolas Fink aus ähnlichem Holz geschnitzt ist. Freudig, versichert Drexler, gebe er seinen Rückzug nicht bekannt.

Seit 1988, also 30 Jahre lang, gehört der Esslinger dem baden-württembergischen Landtag an. Damit ist er dienstältester Landtagsabgeordneter - zusammen mit Winfried Kretschmann - der allerdings mit einer Unterbrechung. Der Kopf habe letztlich die Entscheidung getroffen, sagt Drexler und gibt offen zu: „Dieser Schritt fällt mir emotional sehr schwer.“ Er kann schlecht loslassen, behält die Dinge gern in der Hand, vor allem wenn es um die Belange seiner Heimatstadt geht. Für den Bürgerentscheid über die Zukunft der Stadtbücherei hat an vorderster Front gekämpft, und schon blickt er auf ein weiteres Projekt: 200 Jahre Esslinger Synagoge werden gefeiert. Wolfgang Drexler übernimmt die Verantwortung dafür, dass organisatorisch alles gut vorbereitet wird.

Nicolas Fink, Drexlers Ersatzkandidat, rückt am 1. Januar 2019 ins Landesparlament nach. Auf dem Schurwald, wo Fink als Bürgermeister die Geschicke von Aichwald lenkt, ist die Welt noch in Ordnung und finanziell steht die Gemeinde gut da. Er könnte es sich gemütlich einrichten, doch er wählt einen durchaus riskanten Weg. Mit Blick auf den Zustand seiner SPD sitzt er nur die kommenden zweieinhalb Jahre sicher im Landtag. Ob er dann als Kandidat nominiert und gewählt wird, muss sich erweisen. Wenn es schlecht läuft, ist er am Ende weder Bürgermeister noch Abgeordneter. Dennoch wagt Fink den Schritt und bekundet seinen großen Respekt vor der Leistung des noch amtierenden Wolfgang Drexler. Fink spricht von Ehre und Herausforderung gleichermaßen.

Nicht so leicht fällt ihm der rechtlich vorgegebene Verzicht auf das Amt des Bürgermeisters in Aichwald, „vor allem wegen der vielen großartigen Menschen, die ich dort kennenlernen und mit denen ich dort arbeiten und leben durfte“. Was ihm den Schritt ein wenig erleichtert: Als Abgeordneter für den Wahlkreis Esslingen bleibe er seiner Gemeinde Aichwald auch zukünftig verbunden. Ansonsten gilt von heute an: Der Bürgermeisterwahlkampf in Aichwald ist eröffnet.

foto: roberto bulgrin07. 06. 2016Aichwald, Rathaus Schanbach, Interview Buergermeister Fink
foto: roberto bulgrin07. 06. 2016Aichwald, Rathaus Schanbach, Interview Buergermeister Fink