Zwischen Neckar und Alb

Niedrige Löhne machen große Probleme

Finanzen Im Kreis Esslingen sind viele Arbeitnehmer trotz eines Jobs auf Hartz IV angewiesen, klagen Gewerkschafter.
Symbolfoto: Jean-Luc Jacques

Kreis. Aktuell sind 3543 Menschen auf Sozialleistungen angewiesen – obwohl sie eine Arbeit haben. Damit ist mehr als jeder fünfte erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher im Kreis ein sogenannter „Aufstocker“. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Berufung auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit mit.

NGG-Regionalchef Hartmut Zacher spricht von „alarmierenden Zahlen“. Es könne nicht sein, dass so viele Menschen trotz Arbeit zum Jobcenter gehen müssten. „Besorgniserregend ist vor allem der hohe Anteil von Kindern, die unter Armutsbedingungen aufwachsen“, so der Geschäftsführer der NGG-Region Stuttgart.

Nach Beobachtung des Gewerkschafters sind niedrige Löhne eine Hauptursache des Problems: „Wer an der Bäckertheke oder in der Gaststätte arbeitet und dabei nur einen Mini- oder Teilzeitjob hat, für den wird es am Monatsende extrem eng.“ Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, wie sie die Bundesregierung plant, sei ein erster Schritt. In Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Lebensmittelhandwerk werde bislang oft deutlich zu wenig gezahlt – auch weil sich Firmen nicht an ausgehandelte Tarifverträge hielten. Insofern seien beim Thema Aufstocker auch die auch die Unternehmen in der Verantwortung. Sie müssten nach Ansicht des Gewerkschafters armutsfeste, tariflich abgesicherte Jobs bieten. Faire Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen seien zugleich der beste Schutz vor dem Fachkräftemangel in vielen Branchen.

Keine „vererbte“ Armut

„Besonders wichtig ist es, die Lage von Kindern in Hartz-IV-Haushalten zu verbessern. Armut darf nicht vererbt werden“, unterstreicht Zacher. Die von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel versprochene Kindergrundsicherung sei ein „richtiger Schritt“. Das Gesetz dazu müsse nun rasch auf den Weg gebracht werden. Nach Angaben des IAB steigt die Armutsgefahr von Hartz-IV-Empfängern durch Kinder stark an. Insbesondere für Alleinerziehende: Ihr Risiko, das Einkommen beim Amt aufstocken zu müssen, liege mit 40 Prozent am höchsten.

Wichtig sei zugleich, das Hartz-IV-System zu reformieren. „Der aktuelle Regelsatz für Alleinerziehende von 449 Euro im Monat ist viel zu niedrig. Für Lebensmittel sind gerade einmal 155 Euro vorgesehen.“ Mit einem menschenwürdigen Existenzminimum habe das nichts zu tun. Zacher begrüßt die Pläne, Hartz IV durch ein sogenanntes Bürgergeld zu ersetzen. Hier dürfe es nicht nur um eine Namensänderung gehen, sondern es brauche eine echte Reform, mit weniger bürokratischen Hürden und mehr Geld. pm