Zwischen Neckar und Alb

Nils Schmid tritt in die Fußstapfen von Rainer Arnold

Nachfolger Die SPD im Wahlkreis Nürtingen wählt ihren „Glücksfall“ zum Kandidaten für die Bundestagswahl im Herbst 2017. Von Andreas Warausch

Er gab sich in Nürtingen betont kämpferisch: Nils Schmid will nach Berlin.Foto: Jürgen Holzwarth
Nils Schmid. Foto: Jürgen Holzwarth

Draußen ist’s klirrend kalt. Drinnen im Kleinen Saal der Nürtinger Stadthalle spendet der Weihnachtsbaum warmes Licht – und die Schokoweihnachtsmänner auf den Stühlen versüßen den Mitgliedern der SPD den Abend. Für manche der beinahe 100 Gäste im Saal ist der Mann des Abends das größte Geschenk kurz vor Weihnachten.

Denn Nils Schmid soll für die Genossen in und um Nürtingen 2017 bei der Bundestagswahl die Kastanien aus dem Feuer holen. Rainer Arnold, mittlerweile auch bundespolitisch als verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion höchst anerkannt, hinterlässt eine veritable Lücke. Wer sollte sie füllen? Wo doch der CDU nur schwerlich das Direktmandat zu entreißen sein wird. Und deshalb der SPD nur dann ein Platz in Berlin winkt, wenn der Kandidat berechtigte Hoffnung auf einen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste haben kann.

So ist die Kür von Nils Schmid für die Kreis-SPD um ihren jungen Vorsitzenden Michael Beck allemal ein Coup. Ja, Nils Schmid ist im Lande ein politisches Schwergewicht. Der Kreisvorstand hat einstimmig beschlossen: „Nils Schmid soll’s machen.“ Einer, der für einen sicheren Landeslistenplatz stehe – und für den erwünschten Generationenwechsel.

Schmids Vita weist beeindruckende Stationen vor: Seit bald 20  Jahren Mitglied des Landtags. Sieben Jahre SPD-Landesvorsitzender. Fünf Jahre stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Finanzen und Wirtschaft im grün-roten Kabinett. Bis zur Abwahl im Frühjahr. Die aber will man „dem Nils“ nicht ankreiden. Das war deutlich zu spüren.

Da ist zum Beispiel Frickenhausens Gemeinderat Sebastian Schöneck, der bei der letzten Landtagswahl im Nürtinger Wahlkreis für die Genossen angetreten war, weil Nils Schmid in den sichereren Reutlinger Wahlkreis abgewandert war. Er hob in der Aussprache hervor, dass selbst Kritiker Schmid „super gute Regierungsarbeit“ bescheinigten. Er sei ein „kompetenter, akribischer politischer Schaffer“. Seine Nominierung ein „geniales Zeichen“: „Die SPD tritt hier mit ihrem besten Pferd an.“ Und Rainer Arnold, Schmids Vorgänger, bezeichnete seinen Nachfolger als „Glücksfall“.

Der Gelobte warb mit kämpferischen Worten um seine Nominierung. Erwägungen und Angebote, ganz „raus aus der Politik“ zu gehen, habe es gegeben. Aber er wolle seine Erfahrung weiter einsetzen. Die SPD gehe nicht mit leeren Händen in den Wahlkampf. Errungenschaften wie die Rente mit 63 oder der Mindestlohn trügen sozialdemokratische Handschrift. Stolz und selbstbewusst könne man auf mitgetragene Regierungsverantwortung blicken.

In einer Gesellschaft, in der etwas ins Rutschen geraten sei, will Nils Schmid die Weichen für soziale Gerechtigkeit stellen, den Wandel gestalten, Steuergerechtigkeit schaffen, keine Burka-Diskussionen führen. Er will nicht jeder AfD-Provokation aufsitzen, aber klare sozialdemokratische Kante zeigen gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zusammenhalt sei der Trumpf. Nils Schmid sagt dazu: „Entscheidend ist nicht, woher einer kommt, sondern wohin die Reise gemeinsam gehen soll.“

Tja, und bei all dem stoße man eben „mit der Union“ an Grenzen. Deshalb werde man auch keinen Wahlkampf für die Große Koalition machen. Sondern einen mit typischen SPD-Inhalten. Und für andere Regierungsformationen.

Ein SPD-Kanzler? Nach dem Stoff solcher Träume lechzen die Genossen, das zeigte der Applaus in Nürtingen. Aufbruchstimmung mit Nils Schmid? Solch ein Hauch war zu spüren. Und der brachte Schmid 50 Ja-Stimmen, zwei Gegenstimmen, zwei Enthaltungen. Damit war er zufrieden. Und freute sich auf einen Wahlkampf endlich einmal im Sommer. Dass er dann doch einmal das Teeglas gegen ein Bierglas tauschen wird, schloss er aber lächelnd aus. Er wird kämpfen, die Gemeinden besuchen. Aber sich eben doch treu bleiben – in jeder Hinsicht.