Zwischen Neckar und Alb
„Noch keine Ampulle weggeworfen“

Impfen Der Betrieb in den beiden Kreiszentren nimmt Fahrt auf. Trotz anhaltender Skepsis gegenüber Astrazeneca wird alles restlos verimpft. Von Bernd Köble

Es ist ein anderes Bild als noch vor Wochen. Im gebotenen Abstand drängen sich die Wartenden, in den Kabinen herrscht Dauerbetrieb. Maskierte Männer in Warnwesten schleppen azurblaue Styroporboxen durch die riesige Halle, in der mobile Stellwände ein wenig Intimität vermitteln sollen - Nachschub für die Ärzte an den Kanülen. „Das Impfen hat jetzt richtig Fahrt aufgenommen“, freut sich Landrat Heinz Eininger, der sich an diesem Nachmittag selbst ein Bild vom Geschehen in Halle 9 der Fildermesse macht. Seit vergangenem Freitag arbeiten die beiden Kreisimpfzentren in Esslingen und auf den Fildern so, wie es eigentlich geplant war. Soll heißen: Es werden bis zu 1600 Impfungen pro Tag verabreicht. Begonnen wurde am 22. Januar mit 150 Dosen. Inzwischen ist jeder Zehnte der mehr als eine halbe Million Kreisbewohner zumindest einmal geimpft, und das Tempo soll weiter zunehmen. Ab Montag können erstmals auch die über 60-Jährigen online einen Termin buchen. Die größte Risikogruppe, die mehr als 36 000 über 80-Jährige im Landkreis, soll Ende des Monats vollständig durchgeimpft sein.

Eininger sieht darin einen Hoffnungsschimmer auf dem Weg zurück zur Normalität, auch wenn die Infektionslage zurzeit eine andere Sprache spricht. Die Inzidenz im Kreis steuert in beängstigendem Tempo auf die 200er-Marke zu. Damit müssten nach dem Willen der Bundesregierung auch Schulen und Kitas geschlossen bleiben.

Am vergangenen Sonntag war in den Kreis-Abstrichzentren mehr als die Hälfte der PCR-Tests positiv, wie Malteser-Bezirksgeschäftsführer Marc Lippe bestätigt. Was im ersten Moment wie eine gute Nachricht klingt, ist das eigentlich Beunruhigende: Grund dafür sind keine lokal umgrenzten Ausbrüche, etwa in Unternehmen. „Wir haben nach wie vor ein diffuses Infektionsgeschehen“, sagt Heinz Eininger. Das macht die Sache umso schwerer greifbar.

Dagegen hilft nur mehr Tempo beim Impfen. Rosemarie B. ist mit ihrer Schwiegertochter heute aus Köngen hergekommen. Sie hat einen Termin fürs Impfen mit Astrazeneca gebucht. Bedenken? „Keinesfalls“, meint die 79-Jährige. In ihrem Alter überwiege das Risiko, durch eine Infektion schwer zu erkranken, das seltener Nebenwirkungen bei Weitem. Doch nicht jeder denkt so. Vorbehalte sind nach wie vor verbreitet. Als Astrazeneca kurzzeitig aus dem Verkehr gezogen wurde, hat man auch im Landkreis bereits vergebene Termine auf Biontech umgestellt. „Das ist jetzt vorbei“, sagt Florian Bopp. Der pensionierte Chefarzt trägt die ärztliche Leitung im Impfzentrum an der Messe und weiß, dass am Telefon noch immer viele versuchen, zu verhandeln. Aber, so Bopp, „Verhandeln gibt‘s nicht mehr“. Für die Altersgruppe „60 plus“, die ab Montag verstärkt hier aufkreuzen wird, kommt der Impfstoff laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission nach wie vor infrage.

Immerhin stammt ein Drittel der Impfosen, die die beiden Kreis- impfzentren erreichen, von Astrazeneca. Der große Rest kommt von Biontech/Pfizer. Aller Verunsicherung zum Trotz: Verimpft wird bisher alles und zwar restlos. „Wir haben noch keine einzige Ampulle weggeworfen“, versichert der Ärztliche Leiter. Dafür gibt es immer wieder Sonderkontingente, die außerhalb der Regeltermine verimpft werden. Am Dienstag erhielten 50 Personen im Alter über 80 Jahre aus Filderstadt ein solches Zusatzangebot auf der Messe. Eine ähnliche Aktion fand im Impfzentrum in Esslingen für Senioren aus Plochingen und Deizisau statt.

Wie lange überhaupt in den beiden Kreiszentren geimpft werden wird, ist unklar. Ursprünglich geplant war der Betrieb bis 30. Juni. Eine Antwort erhofft sich der Landrat am Freitag vom Impfgipfel in Stuttgart. Das Impfen müsse so schnell wie möglich in die Regelsysteme, sprich Arztpraxen, verlegt werden. „Was wir hier betreiben, ist ein enormer logistischer Aufwand“, sagt Eininger. „Und obendrein auch nicht ganz billig.“