Zwischen Neckar und Alb

Nürtinger Firma Nagel kauft insolvente Firma Gehring

Übernahme Der Maschinenhersteller plant das Ostfilderner Unternehmen als eigenständige Einheit.

Nürtingen. Die Nagel-Gruppe aus Nürtingen übernimmt den insolventen Maschinenbauer Gehring aus Ostfildern. Gehring, der wie Nagel in der Hontechnologie unterwegs ist, soll dabei als eigenständige Einheit erhalten bleiben.

Seit der Insolvenzanmeldung von Gehring im August hätten sich immer wieder besorgte Kunden des Ostfilderner Unternehmens bei Nagel gemeldet und gefragt, ob man im Ernstfall unterstützen könne, berichtete Bernd Nagel. Der Geschäftsführer möchte zu Details des Deals noch nicht viel sagen. Man habe seine Kaufabsicht erklärt und vom Insolvenzverwalter den Zuschlag erhalten. Viele Details seien aber noch zu klären. Nagel geht davon aus, dass der Übernahmeprozess in ungefähr vier Wochen mit dem sogenannten Closing abgeschlossen wird.

Laut Insolvenzverwalter Tobias Wahl sind mit der Übernahme die Voraussetzungen geschaffen, „die im Oktober eröffnete Insolvenz von Gehring nach kurzer Dauer im Wege der übertragenden Sanierung zu überwinden“. Er spricht von einer nachhaltigen Lösung. Die schon vor der Insolvenz geplante Restrukturierung der Gehring-Gruppe soll in den nächsten Wochen mit den Arbeitnehmergremien unter den neuen Rahmenbedingungen verhandelt werden.

Von der Insolvenz waren rund 600 Mitarbeiter betroffen, davon knapp 300 am Stammsitz in Ostfildern. Wie viele Arbeitsplätze davon erhalten bleiben, dazu wollte Nagel zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen. Nur so viel: die Standorte Ostfildern und Naumburg in Sachsen-Anhalt, wo sich eine Fertigung von Gehring befindet, sollen erhalten bleiben.

Mit Gehring erweitere Nagel sein Leistungsportfolio für sich verändernde Märkte, so Bernd ­Nagel: „Gemeinsam wollen wir die zukünftige Entwicklung der globalen Fertigungsindustrie mitgestalten.“ Beide Unternehmen sind hauptsächlich für die Automobilindustrie tätig. Nagel entwickelt und produziert Maschinen und Werkzeuge für die Technologien Honen und Super­finishen, Tiefbohren und Entgraten. Daneben gehören die Entwicklung kompletter Bearbeitungskonzepte und große Dienstleistungsbereiche zum Portfolio. Die familiengeführte Nürtinger Unternehmensgruppe ist an dem Münchner Start-up Keyou beteiligt, das Wasserstoffverbrennungsmotoren für Nutzfahrzeuge entwickelt. ­Nagel beschäftigt weltweit rund 1350 Mitarbeiter, in Nürtingen sind es zirka 370 Mitarbeiter. Gehring erschloss sich neben der Hontechnologie mit Produktionssystemen für die Elektromobilität, neuen Laserverfahren und Digitalisierungslösungen Produkte für neue Geschäftsfelder.

Bei der Gewerkschaft sieht man einerseits in der ­Übernahme eine Chance für beide Unternehmen, sich durch eine Bündelung der Kräfte in dem momentan durch schwächelnde Konjunktur, Transformation weg vom Verbrennungsmotor sowie von der Corona-Pandemie dreifach gebeutelten Markt perspektivisch gut aufzustellen und Ertrag zu erwirtschaften, „weil die extreme Preiskonkurrenz wegfällt“, sagt Andreas Streitberger, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall in Esslingen. Andererseits befürchtet man einen starken Personalabbau bei Gehring. Das habe der Insolvenzverwalter der Belegschaft am Donnerstag gegenüber geäußert. „Darüber wird in den nächsten Wochen zu diskutieren sein“, meint Streitberger.Henrik Sauer