Zwischen Neckar und Alb
Ohne Kündigungen durch die Krise

Wirtschaft Beim Nürtinger ­Maschinenbauer Heller sind die Aufträge um 40 Prozent eingebrochen. Eine Vereinbarung soll die Jobs sichern. Von Henrik Sauer

Auf das Rekordjahr folgte der Einbruch: Um 40 Prozent ist beim Nürtinger Maschinenbauer Heller vergangenes Jahr der Auftragseingang zurückgegangen. Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertreter haben deshalb eine Vereinbarung getroffen, um möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen durch die Krise zu kommen. Die Mitarbeiter verzichten dafür weitgehend auf tarifliche Sonderzahlungen. Im Gegenzug werden betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31. Mai 2022 ausgeschlossen. Ein Teil der Vereinbarung ist auch der Abbau von bis zu 250 Stellen an den deutschen Standorten. Dies soll aber sozial­verträglich über verschiedene Maßnahmen geschehen.

„Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, müssen unser Unternehmen aber gleichzeitig für die Zukunft aufstellen. Die Programme haben deshalb die Zielsetzung, uns an den künftigen Personalbedarf durch freiwilliges Ausscheiden von Mitarbeitern anzupassen, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden und gleichzeitig an der notwendigen Qualifikation zu arbeiten“, sagt Klaus Winkler, Vorsitzender der Geschäftsführung der ­Heller-Gruppe. Möglich sei dies nur durch eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen: „Unsere Mitarbeiter haben bereits durch den Verzicht auf tarifliche Sonderzahlungen zur Zukunftssicherung beigetragen, wofür wir außerordentlich dankbar sind. Denn eine solche Herausforderung können wir nur bewältigen, wenn alle an einem Strang ziehen.“

Gerhard Wick, erster Bevollmächtigter der IG Metall im Kreis Esslingen, betont, dass es der Gewerkschaft wichtig gewesen sei, mit möglichst allen Beschäftigten durch die Krise zu kommen. Unter diesen Voraussetzungen sei man bereit gewesen, freiwilliges Ausscheiden zu akzeptieren. Die Verhandlungen seien nicht immer leicht, aber konstruktiv gewesen, so der Gewerkschafter. Ein wenig in die Karten spiele bei der Thematik die demografische Entwicklung. In den nächsten zehn Jahren gehen bei Heller altersbedingt 350 Mitarbeiter in den Ruhestand.

Auch Betriebsratsvorsitzender Bernd Haußmann spricht von einer tragfähigen Lösung für Mitarbeiter und Firma. Mit der Vereinbarung verzichten die Beschäftigten auf das Urlaubsgeld der Jahre 2020 und 2021, auf den tariflichen Zusatzbeitrag in Höhe von rund 400 Euro sowie auf knapp zwei Drittel des Weihnachtsgelds.

Ein Kernelement der Vereinbarung ist die kontinuierliche Qualifizierung der Mitarbeiter, so zum Beispiel durch Stipendienmodelle oder interne Qualifizierungsmöglichkeiten. „Wir müssen noch mehr Anstrengungen in der Fortbildung unternehmen“, sagt Klaus Winkler. Das sei notwendig, um das vorhandene Wissen auch in einem veränderten Markt­umfeld einsetzen zu können. Gerhard Wick lobt das Unternehmen hierfür ausdrücklich: „Heller hat hierbei im Landkreis Esslingen eine Vorbildfunktion.“

Es zeichne sich ab, dass man mit den verhandelten Maßnahmen richtig liege, sagt Klaus Winkler. Das Geschäft habe sich zu Jahresbeginn stabilisiert. Im ­Dezember und Januar sei der Auftragseingang ordentlich gewesen. Dabei seien mehr als zwei Drittel der neuen Aufträge außerhalb der ­Automobilindustrie gewesen. Allerdings leide man aktuell noch unter einem sehr niedrigen Auftragsbestand, weshalb man weiterhin Kurzarbeit habe. „Wir brauchen noch Aufträge für dieses Jahr“, sagt Winkler. Er geht davon aus, dass man das ganze Jahr „mehr oder weniger intensiv“ Kurzarbeit haben werde und damit dieses Instrument zeitlich ausschöpfen werde.