Zwischen Neckar und Alb
Ohne Vorwarnung fünfmal zugestochen: Prozess nach Messerangriff am Aileswasensee

19-Jähriger wird nach Messerattacke am Badesee wegen versuchten Mordes angeklagt.

Neckartailfingen. Vor der 8. Großen Strafkammer des Tübinger Landgerichts hat gestern der Prozess gegen einen 19 Jahre alten Jugendlichen aus Reutlingen begonnen, der an einem Badesee in Neckartailfingen im Juli letzten Jahres einen heute 20-jährigen Badegast mit insgesamt fünf Messerstichen schwer verletzte. Die Anklage gegen den 19-Jährigen lautet auf versuchten Mord.

Am 20. Juli, einem warmen Sommertag im vergangenen Jahr, soll der Angeklagte mit einem Messer in der Tasche gegen 19.50 Uhr zielstrebig und ohne Anlass zu dem am Aileswasensee im Gras liegenden jungen Mann hingegangen und unvermittelt auf diesen ahnungs- und wehrlosen Badegast eingestochen haben.

Nach Auffassung der Tübinger Staatsanwaltschaft habe der Beschuldigte dem Opfer sehr kräftige Stiche mit dem Messer mit zehn Zentimeter langer und spitzer Klinge verabreicht, dessen Tod dabei billigend in Kauf nehmend. Der 19-Jährige erlitt dabei schwere und lebensgefährliche Verletzungen im Schulterbereich sowie am linken Unterarm, eine weitere Stichverletzung am rechten Oberarm und einen Stich im Bauchbereich sowie eine weitere tiefe Stichwunde am linken Oberschenkel. Die Verletzungen durch die laut Anklage bis zu zweieinhalb Zentimeter tief eingedrungene Klinge wurden in der Nürtinger Klinik notoperiert.

Der Angeklagte soll nach der Messerattacke geflüchtet sein. Trotz umfangreicher Fahndungsmaßnahmen und dem Einsatz eines Helikopters war der Angeklagte zunächst nicht auffindbar. Erst als die Polizei einen Fährtenhund der Hundeführerstaffel einsetzte, wurde der 19-Jährige gegen 21 Uhr in einem nahe gelegenen Maisfeld aufgestöbert und festgenommen.

Wie viel Alkohol war bei der Tat im Spiel?

Am gestrigen ersten Verhandlungstag vor der 8. Jugendstrafkammer am Tübinger Landgericht konnte sich der schmächtige Beschuldigte seine Bluttat nicht erklären. Er gibt zu, dass er damals das Messer in der Hosentasche bei sich hatte, als er gegen 21 Uhr zu dem Badesee ging. Dabei sei ihm auch das spätere Opfer begegnet. Man habe aber nicht geredet, sondern sich nur angeschaut. Der 20-Jährige soll nach der Aussage des Angeklagten der ehemalige Freund seiner jetzigen Freundin gewesen sein. Und er berichtet, dass er nach reichlichem Alkoholgenuss plötzlich eine Wut in sich spürte, die sich noch gesteigert habe.

Von oben nach unten habe er dann auf den sich gerade in der Abendsonne Liegenden eingestochen, sagt er. Auch dabei soll nichts gesprochen worden sein. Das Opfer habe dann die Hände vor sich gehalten und sei aufgestanden. Auf die Frage der Richter, wie viel Alkohol er denn zuvor konsumiert habe, sagt der 19-Jährige, es seien einige Fläschchen Jägermeister gewesen. Von seiner jetzigen Freundin wisse er, dass sie vor dem anderen Mann, mit dem sie einmal zusammen war, Angst hätte. Wollte der Angeklagte den 20-Jährigen deshalb zur Rechenschaft ziehen?

Mit dieser Frage wird sich im Laufe des Verfahrens vor der Tübinger Jugendstrafkammer auch noch ein psychiatrischer Sachverständiger beschäftigen. Und auch mit der Frage, wie viel Alkohol tatsächlich zur Tatzeit im Spiel war.

Was nach den Messerstichen genau geschah, daran erinnert sich der Angeklagte nur noch bruchstückhaft. Er ist übrigens bei der Justiz kein Unbekannter. Aus dem Vorstrafenregister geht hervor, dass er knapp vier Wochen nach der Messerattacke – als er sich bereits in dieser Sache in Untersuchungshaft befand – vor dem Amtsgericht Reutlingen wegen eines Überfalls stand und verurteilt wurde. Diese Jugendstrafe verbüßt er derzeit.

Die Strafkammer hat insgesamt fünf Verhandlungstage angesetzt.

Bernd S. Winckler