Da gab es doch früher diese Zahnspangenproblematik. In der Kindheit und Jugend hätte sie unbedingt getragen werden müssen – schon wegen der schöneren Zähne. Aber bei der Umsetzung herrschte eine gewisse Nachlässigkeit. Doch wenn der Zahnarzt nachfragte, kam die Notlüge: „Natürlich habe ich die Spange immer getragen.“ Ähnlich verhalten sich manche Patienten mit einer Kniearthrose. Sie sollten sich zur Linderung der Schmerzen, zur Kräftigung der umliegenden Muskeln und zur Verhinderung einer Operation viel bewegen. Doch im Alltag fehlen oft Lust, Zeit und Motivation. Bei dieser menschlichen Reaktion setzt die Firma Sporlastic in Nürtingen an. Das Team hat eine Orthese entwickelt, die Bewegungsmuffel auf die Beine bringen möchte. Das Projekt „Genudyn OA Smart“ hat den zweiten Platz beim Innovationspreis des Landkreises Esslingen erhalten.
Eine App gegen Arthrose
Die Erfindung möchte Couch-Potatoes vom bequemen Sofa weglocken. Dabei setzt das Unternehmen laut dem Prokuristen Torsten Schweizer auf eine Kombination aus Orthese und moderner App. Sein Kollege Timo Schmeltzpfenning erläutert die Funktionsweise an einem Kniemodell. Durch ein mechanisches Drei-Punkte-Prinzip an der Orthese wird das Knie an drei Stellen entlastet und der Druck von dem Gelenk hin auf diese drei Punkte verlagert. Das führe zu Schmerzlinderung und mehr Lebensqualität.
Doch der Clou an der Erfindung ist die digitale Steuerung des Trainingsprogramms. Über zwei Bewegungssensoren an der Orthese kann eine App aufgerufen werden. „Sie weiß genau, was der Patient tun muss“, erklärt Timo Schmeltzpfenning. Auf dem Bildschirm sind ein blaues und ein graues Bein zu sehen. Das blaue Bein zeigt, wie die Übungen absolviert werden sollten. Die graue Abbildung gibt das Bein des Patienten – und der an Kniearthrose Erkrankte muss dafür sorgen, dass beide, das blaue und das graue Bein synchron zueinander sind. Die App, so ergänzt Torsten Schweizer, lässt auch kein Schummeln zu. Sie zeigt haargenau die vom Patienten absolvierten Trainingseinheiten während eines zwölfwöchigen Programms an. Die Übungen würden so konsequenter ausgeführt und könnten genau nachvollzogen werden.
Eine wissenschaftliche Studie habe die Effizienz von „Genudyn OA Smart“ bestätigt, versichern beide Prokuristen. Das sportmedizinische Institut an der Universitätsklinik Tübingen habe 60 freiwillige Probanden mit Kniearthrose in zwei Gruppen eingeteilt: Ein Team trainierte mit der App, das andere auf die herkömmliche Weise. Das Ergebnis laut Sporlastic: 84,5 Prozent des Trainingsumfangs seien von der App-Gruppe geschafft und 73 Prozent der Einheiten vollständig durchgeführt worden. Das Ausfüllen eines standardisierten Fragebogens habe mehr Lebensqualität, weniger Schmerzen und mehr Freude an Bewegung beim App-Team ergeben.
Mit dieser Studie als Rückendeckung machte sich Sporlastic an den nächsten Schritt. Wichtig sei der Firma, dass Patienten die Kosten für ihre Produkte von den Krankenkassen erstattet bekommen, erklärt Timo Schmeltzpfenning. Dafür sei ein Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gestellt worden. Die Antwort wird Mitte nächsten Jahres erwartet. Prozesse im Gesundheitswesen würden länger dauern, dafür aber auch ein Höchstmaß an Sicherheit und Verlässlichkeit bieten, betont Schweizer.
Die Orthese sei bereits im Handel – und bald soll auch die App hinzukommen. Denn die Kombination, so Timo Schmeltzpfenning, mache das eigentlich Neue an „Genudyn OA Smart“ aus und sei auch der Grund für die Belegung des zweiten Platzes beim Innovationspreis. Doch an „Genudyn OA Smart“ werde weiter getüftelt. So solle die Umsetzbarkeit auf andere Bereiche etwa die Armgelenke getestet werden. Denn die Erfindung soll Motivationsschub für Menschen mit Gelenkproblemen sein – und den Zahnspangen-Effekt verhindern.