Macht doch eine Mehrfachbeauftragung.“ Diesen Vorschlag macht Stephan Thaler von der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung (KE) in Stuttgart vielen Gemeinden, wenn es um Neugestaltungen geht. Oft ist das eine harte Nuss, denn die Gemeinderäte wollen nicht. Sie haben Angst, dass sie dann mit einem fertigen Entwurf dastehen, an dem sie nichts mehr ändern können. Dabei sei das gar nicht so, betont Stephan Thaler.
In Neidlingen war es anders: Dort kam die Gemeinde von sich aus zur KE und wollte eine Mehrfachbeauftragung. So haben sich fünf Planungsbüros Gedanken über die Neidlinger Ortsdurchfahrt gemacht. „Es sind fünf sehr gute Arbeiten geworden“ sagte Bürgermeister Klaus Däschler bei der Präsentation der Ergebnisse in der Kelter. Zu dieser öffentlichen Sitzung des Gemeinderats kamen auch einige interessierte Bürger.
In den fünf Entwürfen steckt sehr viel Arbeitszeit. Es dürften pro Arbeit etwa 300 bis 350 Stunden sein, schätzt Matthias Schuster vom Stuttgarter Büro „Lehen drei“. Als Vorsitzender des Preisgerichts erläuterte er die einzelnen Entwürfe. Einen ganzen Tag lang hatte sich das Preisgericht mit den Arbeiten beschäftigt. Es bestand sowohl aus Fachrichtern als auch Gemeinderäten und Gemeindeverwaltung. Vorab hatte Stephan Thaler bei jedem einzelnen Entwurf geprüft, ob er alle Vorgaben erfüllt. Am Ende fielen alle Beschlüsse einstimmig: In der zweiten Runde wurden zwei Arbeiten zurückgestellt, später an die anderen drei Arbeiten der erste, zweite und dritte Rang vergeben. Erst nach der Entscheidung erfuhr das Preisgericht, von wem die einzelnen Arbeiten stammten.
Den ersten Rang belegt das Büro Stefan Fromm Landschaftsarchitekten aus Dettenhausen. Ursprünglich hatte Stephan Thaler von der KE beim renommierten Dettenhausener Büro angefragt, ob es einen Preisrichter stellen wolle. Er mache lieber selbst als Teilnehmer mit, hatte Stefan Fromm geantwortet. Nun wird sein Entwurf – sofern der Neidlinger Gemeinderat dies in der nächsten Sitzung bestätigt – zur Arbeitsgrundlage für das weitere Vorgehen.
Nicht in Stein gemeißelt
An dem Entwurf lobte Matthias Schuster den Pragmatismus, die große Idee und ein „unglaublich sauberes Denken“. Die durchgängige Gestaltung gehe stark auf die Eigenheiten des Ortes ein. „Das bedeutet aber nicht, dass wir überall Kirschbäume pflanzen“, stellte Stefan Fromm ein Missverständnis klar. Er war mit seinem Team zur Präsentation gekommen. Der Entwurf schafft neue Blicke auf die Lindach, den Mühlkanal und zur umgebenden Landschaft, in der Schulstraße verbindet er den Schulgarten mit der Lindach. Er tut dies jedoch mit bescheidenen Mitteln, statt einem breiten Treppengebilde genügt ein kleiner Zugang. Der Entwurf arbeitet in der gesamten Ortsdurchfahrt mit Tempo 30, vor dem Rathaus gibt es sogar eine kurze einspurige Verengung. Der alte Farrenstall soll zum Vereins- und Bürgerhaus werden. Auch auf Privatgrundstücken sollen neue Bäume gepflanzt werden, aber nicht in strenger Reihe. Beim Platz vor dem Rathaus gibt es noch Diskussionsbedarf bezüglich der Möblierung oder dem einen oder anderen Baum „Der Entwurf ist noch lange nicht in Stein gemeißelt“, sagte Stefan Fromm.
Auch den weiteren vier Entwürfen konnten die Preisrichter viel Positives abgewinnen. Den zweiten Rang nimmt der Entwurf des Büros Faktorgrün aus Rottweil ein. „Er hat sich sehr detailliert mit der Fahrbahnbreite beschäftigt“, lobte Matthias Schuster, mit „gekonnten Neuordungen“. Es sei „eine sehr ruhige Arbeit, an manchen Stellen zu ruhig.“ Auch den dritten Rang beschrieb Matthias Schuster als „in der Idee insgesamt sehr rund“. Sein Mangel: Er hatte das Gebiet vor dem neuen Betreuten Wohnen nicht intensiv bearbeitet. Da der Gebäudeeingang dort eine Rampe erfordert, ist das Vorfeld etwas kompliziert.
Eine der beiden in der zweiten Runde zur Seite gestellten Arbeiten hatte beim Zugang zur Lindach eine sehr aufwändige Gestaltung vorgesehen. „Das war uns eindeutig zu städtisch“, sagte Matthias Schuster. Auch in diesem Fall bemängelte er die Gestaltung vor dem Betreuten Wohnen.
Das Besondere an Mehrfachbeauftragungen
Das Preisgeld, das die Planungsbüros bei einer Mehrfachbeauftrag erhalten, deckt bei Weitem nicht ihre Kosten für meist mehrere Hundert Stunden Arbeit. Bei dem Entwurf, der dann tatsächlich gebaut wird, wird das Preisgeld zudem wieder vom Honorar abgezogen. Das Büro hat aber durch die Teilnahme einen attraktiven Auftrag erhalten, der sich in Neidlingen über mehrere Jahre erstreckt. Auch andere Büros profitieren von der Teilnahme: Selbst ein zweiter oder dritter Rang ist ein werbewirksamer Qualitätsnachweis.
Auch die guten Ideen der unterlegenen Arbeiten sind nicht verloren, sie können ihren Weg in Modifikationen des ersten Ranges finden. Das zeigt in Neidlingen der Umgang mit der zweiten im zweiten Durchgang zur Seite gestellten Arbeit. Sie hatte den Platz vor dem betreuten Wohnen nicht bearbeitet, auch die Bushaltestelle überzeugte im zweiten Blick nicht mehr, laut Matthias Schuster fehlte zudem die Durchgängigkeit. Es gebe aber viele gute Details: „Wir haben viel über diese Arbeit diskutiert und daraus sehr viel gelernt.“ pd