Zwischen Neckar und Alb

Politik auf Augenhöhe

Treffen Michelle Müntefering fordert beim „Gipfeltreffen Hohenneuffen: Politik mit Weitblick“ partnerschaftliche Beziehungen mit Afrika. Die großen Fragen könnten nur gemeinsam gelöst werden. Von Petra Bail

Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, und der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Nils Schmid, außenpolitischer
Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, und der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, betrachten die Politik von der höheren Warte aus. Foto: Petra Bail

Pünktlich zur Pause schickte Wettergott Petrus Sonnenstrahlen durch den Regenvorhang am Albtrauf, sodass die Teilnehmer des „Gipfeltreffen Hohenneuffen: Politik mit Weitblick“ die horizonterweiternde Rundumsicht genießen konnten. Auf den konsumkritischen Auftakt durch Philipp Keil, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ), folgte eine rege Podiumsdiskussion. Dabei schälte sich als großes Thema der faire Handel heraus. Deutlich wurde: Kommunen nutzen ihren Spielraum für eine gerechte Handelsordnung. Die generelle Frage stand jedoch im Raum, weshalb es so schwierig ist, fairen Konsum in die Politik umzusetzen.

Antworten erhofften sich die Teilnehmer von der Polit-Prominenz, die zum Abschluss im Burgrestaurant einen Impulsvortrag hielt. Der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion des Bundestages, hatte dafür Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, mitgebracht. Für die SPD-Außenpolitikerin lautet die zen­trale Frage: „Wie wollen wir leben und in was für einer Welt wollen wir leben?“ Alle müssten die „gemeinsame Verantwortung für unseren Planeten“ wahrnehmen, um Wachstum und Wohlstand zum Nutzen aller fortentwickeln zu können. Dabei gelte es, in Afrika genauer hinzuschauen, auch wenn das schwierig sei bei 55 Staaten, 2 000 Sprachen, fast genauso vielen eigenständigen Volksgruppen und 1,3 Milliarden Einwohnern. „Wenn das Wachstum der Wirtschaft mit dem der Bevölkerung nicht mithalten kann, steigt die Armut“, warnte Michelle Müntefering. Die Hälfte der afrikanischen Staaten zähle wirtschaftlich zu den Ländern mit dem niedrigsten Einkommen.

Wichtig sei, vom afrikanischen Partner zu lernen und nicht immer besser zu wissen, was für ihn gut ist. Der Anspruch der afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung seien partnerschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe. Sie sollten der Komplexität des Kontinents gerecht werden. Die großen Fragen der Zeit, wie Ernährung, Klima, Digitalisierung, Demographie, nachhaltige Wirtschaft und Handelsketten könnten nur gemeinsam gelöst werden.

In wirtschaftlicher Hinsicht ist einer der außenpolitischen Hauptansatzpunkte, die sehr kreative junge Generation zu unterstützen, betonte Michelle Müntefering. „Stabilität und nachhaltige Entwicklung sind zwei Seiten einer Medaille.“ Frieden und Sicherheit hätten für die Außenpolitik Priorität. „Wir müssen verhindern, dass die Kriege der Zukunft um Wasser und Land geführt werden“, betonte Müntefering. Beispielhaft nannte sie zunehmende Konflikte in Nigeria, das bevölkerungsreichste Land des afrikanischen Kontinents. „Wo Unfrieden herrscht, wo sich Menschen nicht sicher fühlen, verlassen sie ihre Heimat.“ Darum helfe man, die Bedingungen so zu verändern, dass weniger Menschen ihre Zukunft in Europa suchen. Wahrung der Menschenrechte, Schulen und Arbeit seien dafür Voraussetzungen. Als Erfolg wertete Michelle Müntefering den Durchbruch im Sudan. Dort hatten sich Militär und Opposition auf eine Übergangsregierung geeinigt.

Deutschland unterstütze beim Aufbau von Polizei, zivilen Institutionen, einer guten Regierungsführung sowie beim Schaffen wirtschaftlicher Perspektiven. Die SPD-Außenpolitikerin nannte das Engagement in Mali: Es zeige sich, dass Friedensabkommen auch dann stabiler seien, wenn Frauen gleichberechtigt beteiligt würden. Eine weitere Säule deutscher Außenpolitik sind gemäß der SPD-Politikerin Kultur und Bildung, die für Willy Brandt einst „Arbeit an der Weltvernunft“ waren. Durch Stipendien, den Austausch von Kuratoren, die Förderung von Wissenschaft und Bildung, gegenseitiges Kennenlernen werde das Verständnis füreinander gefördert. Dazu gehört auch die Kolonialismusfrage, bei der es nicht nur um die Beseitigung von historischem Unrecht, sondern auch um das Schaffen einer gemeinsamen Zukunft gehe.

Teilnehmer diskutieren abseits der Alltagshektik

Das Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung hatte im vergangenen Jahr die Seminarreihe mit dem Ziel gestartet, einmal im Jahr mit kommunalpolitisch engagierten Menschen abseits der Alltagshektik grundsätzliche Fragen zu Politik und Gesellschaft zu diskutieren.

Laut Anja Dargatz, Leiterin des Fitz-Erler-Forums Baden-Württemberg, bewährt sich das Format bereits. Mit 65 Teilnehmern aus der gesamten Region waren diesmal sogar noch mehr Interessierte zum Treffen gekommen, das unter dem Motto stand: „Global denken, lokal handeln: Kommunen in der (Einen)Welt. Fokus Afrika: Kontinent der Chancen.“ pb