Zwischen Neckar und Alb

Populisten einfach „wegdiskutieren“

Politik SPD diskutierte in Nürtingen über die „Faszination des Autoritären“, die auch innerhalb Europas besteht.

Nürtingen. Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt, das erfolgreiche Verfassungsreferendum am Bosporus und natürlich Wladimir Putin: Nationalistische Kräfte scheinen weltweit auf dem Vormarsch zu sein. Auch in Europa sehnen sich Menschen wieder nach der starken Hand. Warum gerade jetzt? Welche Gefahren gehen davon aus? Antworten darauf gab die SPD-Podiumsdiskussion „Eine neue Faszination des Autoritären?“ im Nürtinger K3N.

Den Nerv der Bürger getroffen

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold hatte mit dieser Podiumsdiskussion den Nerv getroffen. Der kleine Saal war mit rund 100 Zuhörern proppenvoll. Der Gastgeber legte auch gleich mit seinen Themen los: „EU-Krise, Globalisierung und Krisenherde. All das schürt Ängste“, sagte der scheidende Abgeordnete.

Populisten versuchten dann mit Schwarz-Weiß-Denken und Parolen wie „wir da unten gegen die da oben“ die Welt zu vereinfachen. Doch diese Kräfte handelten nicht zum Wohle der Menschen, „sie wollen Demokratie durch autoritäre Regime ersetzen“. Deshalb gelte hier: „Wehret den Anfängen.“ Demokraten müssten sich autoritären Einstellungen entgegenstellen und Populisten mit Argumenten „wegdiskutieren“.

Karsten D. Voigt, ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, nannte drei Gründe, die Trump möglich gemacht haben. Erstens die sich verstärkende Polarisierung auf der Ebene der Politik, aber auch unter den Wählern in den USA. Die Republikaner sind nach rechts gerutscht und die Demokraten nach links. Zweitens habe Trump das Bündnis mit der christlichen Rechten geholfen. Drittens seien die Globalisierungsverlierer Donald Trumps Wähler geworden.

Die Macht des russischen Präsidenten Wladimir Putin hängt nach den Worten von Dr. Jens Hildebrandt mit dem Wunsch der allermeisten Russen nach Stabilität zusammen. Tatsächlich gehe es den Russen nach dem chaotischen demokratischen Aufbruch und dem „Wildwestkapitalismus“ in der Jelzin-Ära heute besser, sagte der Leiter des Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau. Er möchte aber nicht als Putin-Versteher gesehen werden.

Inzwischen sieht sich der russische Staat laut Hildebrandt als das neue „No-West“, also als Gegenzivilisation zum Westen, was bei der Bevölkerung offenbar ankommt. Dabei lasse die Verfassung der russischen Föderation durchaus eine demokratische Weiterentwicklung zu. Doch Putin manipuliere diese demokratischen Strukturen zu Lasten der Opposition.

Demokratie noch zu retten?

Ist die Demokratie in der Türkei noch zu retten? „Fast 49 Prozent haben gegen die von Präsident Erdogan geforderte Verfassungsänderung gestimmt. Deshalb müsse die türkische Zivilgesellschaft gestärkt und der Dialog fortgesetzt werden“, betonte Dr. Dorothee Schlegel, SPD-Bundestagsabgeordnete und Berichterstatterin für die Türkei im Ausschuss für Europäische Angelegenheiten. Autoritäre Tendenzen gibt es auch in EU-Europa. Den Wettbewerb mit diesen Kräften können Demokraten jedoch für sich entscheiden, „wenn sie die besseren Problemlösungen anbieten, sonst bleibt das Problem weiter bestehen“, meinte Hildebrandt.

Nils Schmid, SPD-Bundestagskandidat, stellte fest: „Es gibt auch in Deutschland Globalisierungsverlierer.“ Daher habe SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz den Finger schon in die richtige Wunde gelegt, indem er die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt seines Programms gestellt habe. Der radikale Islam dürfe als Gefahr nicht ausgeblendet werden, merkte ein Zuhörer in der Diskussion kritisch an.Boris-Marc Münch