Zwischen Neckar und Alb

Prominente Wirte schmeißen hin

Wirtschaft Aufgrund der Krise gibt es unter den Esslinger Gastronomen die ersten Pleiten. „Cosmopolita“ und „Roter Hirsch“ müssen Insolvenz beantragen. Von Harald Flößer

Am 16. Februar 2018 hat das Restaurant „Roter Hirsch“ in der Alten Zimmerei eröffnet. Jetzt muss der Wirt Insolvenz anmelden.Fot
Am 16. Februar 2018 hat das Restaurant „Roter Hirsch“ in der Alten Zimmerei eröffnet. Jetzt muss der Wirt Insolvenz anmelden. Foto: Roberto Bulgrin

Unter den Wirten geht die Angst um. Je länger ihre Lokale geschlossen sind, desto mehr schwinden die restlichen Rücklagen. Vielen Gastronomen ist bereits die Luft ausgegangen. Wegen fehlender Liquidität blieb ihnen nichts anderes übrig, als Insolvenz anzumelden. Auch in Esslingen gibt es die ersten prominenten Opfer. Christian List, Pächter des „Roten Hirsch“ in der Alten Zimmerei, hat bereits die Reißleine gezogen. Das gleiche Schicksal trifft Italo-Wirt Salvatore Marrazzo. Sein Edel-Restaurant „Cosmopolita“, direkt am Esslinger Marktplatz gelegen, wird ebenfalls nicht mehr öffnen. Weil er nicht mehr zahlungsfähig ist, wird er noch diese Woche beim Amtsgericht Esslingen einen Insolvenzantrag stellen. Für beide geht das Leben in der Gastro-Szene jedoch weiter. List konzentriert sich mit seinem Geschäftspartner auf seine Betriebe in Bad Cannstatt und in Fellbach. Marrazzo sieht seine Zukunft im „Accanto“, seinem zweiten Standbein, wo er seine Gäste mit italienischen Spezialitäten verwöhnen will.

Für ihn sei die Aufgabe des „Cosmopolita“ ein schwerer Schritt gewesen, sagt Marrazzo. Denn in diesem Projekt, zu dem er sich nach der Aufgabe der „Reichsstadt“ 2017 entschlossen hatte, stecke viel Liebe und Herzblut. Und natürlich jede Menge Geld. 400 000 Euro hatte der 50-Jährige in den Umbau der früheren Apotheke investiert. Mit einer ambitionierten Küche wollte Marrazzo nach fünf Jahren erstmals schwarze Zahlen schreiben. Doch der Plan ging nicht auf. „Am Wochenende waren wir immer gut ausgebucht“, sagt der Wirt. Doch der Zeitraum zwischen Dienstag und Donnerstag sei jedesmal eine Durststrecke gewesen. Auf Dauer ein ungesundes Verhältnis. Dann kam auch Pech dazu. Zwei Wasserschäden hätten zu erheblichen Mehrkosten geführt. Um den Betrieb zu retten, plante Marrazzo einen Kurswechsel. „Ich wollte aus dem „Cosmopolita“ eine gehobene Kochschule mit Eventcharakter machen“, erzählt der 50-Jährige. Doch da habe der Verpächter nicht mitgezogen.

Die Wirte versklaven sich

Ebenso wenig sei er auf seine Bitte eingegangen, zwei Drittel der Pacht für 18 Monate zu stunden. „Wir haben nur um Unterstützung gebeten, wir wollten keine Geschenke“, betont Marrazzo. Mit Sorge beobachte er, wie sich viele seiner Kollegen 15 oder 16 Stunden am Tag abstrampelten, um sich einigermaßen über Wasser zu halten. „Viele Wirte versklaven sich.“ Dieses Spiel wolle er nicht weiter mitmachen.

Doch Marrazzo will nicht jammern. Das passt auch nicht zu seiner Frohnatur. Nach vielen Gesprächen habe er den Entschluss gefasst, sich ganz auf das „Accanto“ zu fokussieren. Marrazzo ist klar, dass er auch dort zu kämpfen hat. Er rechnet nach Wiedereröffnung wegen der hohen Auflagen mit 30 bis 40 Prozent weniger Umsatz. „Aber ich hoffe, dass mir meine Gäste weiter das Vertrauen schenken.“

Ganz auf Rückzug ist dagegen Christian List eingestellt. Sein Betrieb im „Roten Hirsch“ sei „nicht wegen, sondern mit Corona gestorben“, sagt er. Im Oktober 2018 hatte er mit großen Hoffnungen die Gastronomie in der Alten Zimmerei in der Abt-Fulrad-Straße übernommen. Von der Lokalität mit ihren knapp 150 Sitzplätzen im Innenbereich und 70 Plätzen im Freien sei er nach wie vor überzeugt, sagt List. „Das ist ein Filetstück in Esslingen.“ Doch seien die Betriebskosten mit zwölf Festangestellten und rund zehn Aushilfskräften für die hohen Schwankungen im Geschäftsbetrieb letztlich zu hoch gewesen. Sprich, das Konzept ist nicht aufgegangen.

Während des Weihnachtsmarktes sei alles noch super gelaufen, berichtet List, doch im Januar habe sich der Umsatz auf nur noch ein Drittel reduziert. Hinzu kämen die schwierigen Bedingungen im Sommer. Dass draußen ab 22 Uhr keine Gäste mehr bedient werden dürfen, mache Wirten das Leben schwer. Er habe einsehen müssen, „dass unser Konzept für diesen Standort zu teuer ist“ und er deswegen „eine bittere, aber rationale Entscheidung“ treffen müsse. Sehenden Auges noch weiter in die roten Zahlen abzurutschen, ergebe keinen Sinn. In den Betrieben in Cannstatt und Fellbach sehe das anders aus. Da habe man schon mal viel niedrigere Raumkosten, sagt List. Wenn er ab 18. Mai wieder öffnen dürfe, werde er zuerst nur den Betrieb in Cannstatt hochfahren und genau beobachten, wie gut der Gästezuspruch ist. Sorge bereite ihm die wachsende Nachlässigkeit vieler Menschen im Umgang mit der Pandemie. „Eine schlimme zweite Welle wäre für uns alle fatal.“