Zwischen Neckar und Alb

Radfahrer greifen nach den Sternen

Tourismus Nach dem Vorbild des Neckartal-Radwegs sollen drei weitere Radfernwege zertifiziert werden. Allerdings sind die Kriterien des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs sehr streng. Von Thomas Schorradt

Der Schwäbische-Alb-Radweg soll im nächsten Jahr auf seine Sterne-Würdigkeit hin überprüft werden. Foto: Carsten Riedl
Der Schwäbische-Alb-Radweg soll im nächsten Jahr auf seine Sterne-Würdigkeit hin überprüft werden. Foto: Carsten Riedl
Die Karte zeigt die Radwanderwege in der Region.
Die Karte zeigt die Radwanderwege in der Region.

Ein Landesradfernweg ohne Sterne ist wie ein Fahrrad ohne Sattel. Der Satz steht unausgesprochen über der Qualitätsoffensive des Landes, in deren Verlauf bislang nicht klassifizierte Landesradfernwege unter die Lupe genommen werden sollen. Erklärtes Ziel ist es, die Routen so aufzuwerten, dass sie die Kriterien erfüllen, die der ­Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) als Voraussetzung für eine Einstufung als Qualitätsradroute aufgestellt hat. Der Sternenkatalog der Clubs gilt als die Eintrittskarte in die erfolgreiche touristische Vermarktung. Im Kreis Esslingen bewerben sich der Hohenzollern-Radweg, der Alb-Neckar-Radweg und der Schwäbische-Alb-Radweg um die ADFC-Sterne.

„Wir haben großes Interesse an der Aufwertung“, sagt ­Stefanie Blessing, die Tourismusförderin im Esslinger Landratsamt. Das Etikett Qualitätsradroute und die Sterne erleichterten den Einstieg in die überregionale Vermarktung und erhöhten die Attraktivität für Radtouristen im In- und Ausland.

Vorgaben des Landes sind klar

Leuchtendes Vorbild ist der Ne­ckar­tal-Radweg, einer von zwölf bisher im Land klassifizierten Radwegen. Dort weisen vier ADFC-Sterne dem qualitätsorientierten Radfahrer den Weg. Auch die Vermarktung des Radwegs, die von einer Marketing-Kooperation Neckar­tal-Radweg zentral gesteuert wird, gilt als Vorbild für alle anderen im Land verlaufenden Radfernwege. Der Zeitplan, nach dem die drei bisher nicht zertifizierten Radtouren aus ihrem Schattendasein geholt werden sollen, ist sportlich: Die Sterne sollen den Radwegen schon im September des kommenden Jahres leuchten - oder eben auch nicht. Denn die Vorgaben des Landes sind klar. „Wenn nicht absehbar ist, dass der Radweg eine Qualitätsklassifizierung erhalten kann oder bei den Akteuren vor Ort kein Interesse am touristischen Produkt besteht, entfällt auch der Status als Landesradfernweg.“ So steht es in der Vorlage, in der Stefanie Blessing dem zuständigen Kreistagsausschuss für Technik und Umwelt jetzt einen touristischen Ausblick auf das nächste Jahr gewährt hat.

Am Kreis Esslingen, der mit 34 Kilometern Hohenzollern-Radweg und je 21 Kilometern Neckar-Alb-Radweg und Schwäbische-Alb-Radweg beteiligt ist, soll es nicht liegen. „Wir beteiligen uns aktiv an dem Qualitätsprozess“, sagt Stefanie Blessing. Die Hürden, die der ADFC aufgebaut hat, sind allerdings hoch. Ein Anforderungskatalog mit zehn Vorgaben ebnet den Weg zu den Sternen. Das beginnt beim einheitlichen Namen und der überregionalen Bedeutung und geht über die Oberfläche, die Wegweisung und die touristische Infrastruktur am Wegesrand bis hin zur Anbindung der Route an öffentliche Verkehrsmittel und das zur Verfügung stehende Karten- und Informationsmaterial. Dabei nimmt der ADFC „immer die Perspektive der Radreisenden ein, nicht die von Bauingenieuren oder Bauämtern“.

„Die Vorgaben werden streng gehandhabt“, sagt Thorsten König, der Leiter des gemeinsamen Straßenbauamts der Landkreise Esslingen und Göppingen. „Die meis­ten Radwege stolpern darüber, dass sie nicht ausreichend befes­tigt und asphaltiert sind“, sagt er. Das ist ein Grund, weshalb ­König nicht nur die neuen Sternanwärter unter die Lupe nimmt, sondern auch auf Nachbesserungen auf dem Neckarradweg drängt. „Zwischen Wendlingen und Plochingen lässt der Zustand des Schotterwegs stark zu wünschen übrig“, sagt König, selbst begeisterter Radfahrer. Um dort aber eine dauerhafte Lösung zu finden, müssten erst einmal mühsam die Zuständigkeiten geklärt werden - von Privatleuten und Anrainergemeinden bis hin zur Gewässerdirektion Neckar. „Auch wenn es eine großzügige Landesförderung gibt, können wir nicht einfach auf fremden Flurstücken bauen“, sagt König.

Gleichwohl, der zu erwartende Erfolg lohnt die Mühen der ­Ebene. Daran lässt die Verwaltungsvor­lage keinen Zweifel. Demnach gilt der Radtourismus als eine tragende Säule des Tourismus­sektors in Baden-Württemberg. In dem derzeit wichtigsten Wachstumsmarkt der Branche werden im Land jährlich mehr als 14 Millionen Tagesausflügler auf dem Rad und mehr als drei Millionen von Radreisenden gebuchte Übernachtungen gezählt - Tendenz steigend. Die Radtouristen erstrampeln mehr als 850 Millionen Euro Nettowertschöpfung pro Jahr. Damit sichert der Radtourismus rund 25 000 Arbeitsplätze in Baden-Württemberg.

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Fünf Sterne sind top

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat ein Gütesiegel entwickelt. Für einen Radweg gibt es maximal fünf Sterne. Zwölf der 19 Landesradfernwege in Baden-Württemberg sind schon zertifiziert. Jetzt sollen der von Weinstadt (Rems-Murr-Kreis) an den Bodensee führende Hohenzollern-Radweg (204 Kilometer), der von Nördlingen nach Ludwigshafen führende Schwäbische-Alb-Radweg (308 Kilometer) und der Ulm mit Heilbronn verbindende Alb-Neckar-Radweg (209 Kilometer) folgen. tos