Als Chance, neue Verkehrskonzepte voranzutreiben, sieht Andreas Schwarz die Corona-Krise. Der Fraktionschef der Grünen im Landtag und Kirchheimer Landtagsabgeordnete sitzt auch im Aufsichtsrat des Flughafens. Der soll trotz rückläufiger Passagierzahlen seine Bedeutung nicht verlieren. Aber auch da geht es Schwarz wie im Auto- und Radverkehr oder bei den öffentlichen Verkehrsmitteln um klimafreundliche Lösungen.
Die Corona-Krise hat im öffentlichen Nahverkehr zu Einbrüchen geführt. Auch der Relex-Bus zwischen Kirchheim und dem Flughafen hat Fahrgäste eingebüßt. Wird diese wichtige Verbindung langfristig leiden?
Andreas Schwarz: Das sehe ich nicht so. Die Relex-Busse sind ein Erfolgsrezept. Fahrgäste kommen etwa sehr zügig aus Kirchheim, Wendlingen und Denkendorf zum Flughafen. Der Schnellbus ist nicht nur für Fluggäste interessant, sondern auch für Arbeitnehmer. Auch Fahrgäste, die nach Vaihingen oder zur Uni Hohenheim möchten, kommen schneller weiter. Die Verbindung ist und bleibt also gut nachgefragt.
Wie wollen Sie auf die veränderte Arbeitswelt durch die Corona-Krise mit mehr Homeoffice reagieren?
Schwarz: Wir planen eine digitale Abo-Vielfahrerkarte mit gestaffeltem Rabattstatus. Damit bekommt die übliche Zeitkarte eine Fortentwicklung, die auf individuelle Bedürfnisse eingeht. Die Digitalisierung bietet uns die Chance, die Tarifstrukturen im ÖPNV zu verbessern und flexibel zu sein. Mit einem Abo-Flex-Ticket wollen wir Kunden halten und neue Kunden gewinnen. 20 Millionen Euro stellen wir da zusätzlich bereit.
Der Flughafen Stuttgart, in dessen Aufsichtsrat Sie sitzen, hat durch die Pandemie erheblich Passagiere verloren. Direktor Walter Schoefer fordert daher Hilfen vom Bund. Sehen Sie die Krise als Chance, umzudenken und etwa mehr auf digitale Konferenzen zu setzen?
Für Baden-Württemberg mit seinen vielen mittelständischen Betrieben wie auch für Urlaubsreisende ist ein zentraler Landesflughafen von großer Bedeutung. Wegen des guten Wirtschaftens in den vergangenen Jahren bekommt der Stuttgarter Flughafen Kredite bei Banken. Allerdings trifft Corona den Flughafen und die dort angesiedelten Geschäfte hart. Durch die vorgezogene Teilerneuerung der Start- und Landebahn hat die Geschäftsführung das Beste aus der Situation gemacht. Als Land lassen wir unseren zentralen Landesflughafen nicht im Stich. Auch mit deutlich weniger Passagieren büßt diese wichtige Infrastruktur-Einrichtung nichts von ihrer Bedeutung ein. Corona hat in vielen Bereichen zu einem regelrechten Schub bei digitaler Kommunikation geführt.
Wirkt sich das auch auf Ihre Arbeit aus?
Meine Berliner Termine, etwa mit den Bundesvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, laufen derzeit digital. Da haben wir Flüge reduziert. Gleichwohl bleiben persönliche Gespräche und Geschäftsreisen unverzichtbar, so bei Personalfragen und bei strategischen Fragestellungen. Künftig wird wohl weniger gereist - und gezielter.
Elektromobilität ist gerade in der Geschäftsfliegerei ein Thema. Welche Möglichkeiten sehen Sie, mit Lufttaxis oder mit kleinen Maschinen wie dem HY4 den Luftverkehr in klimaneutrale Bahnen zu lenken?
Fliegen und Klimaschutz sind eine große Herausforderung. Diese Aufgabe müssen wir lösen, denn nachhaltige und emissionsfreie Mobilität muss für alle Verkehrsträger gelten. Am besten ist es, wenn klimaschädliche Emissionen erst gar nicht entstehen. Unser Ziel ist es, dass im Luftverkehr die CO2-Emissionen deutlich sinken und auch beim Fliegen die klimaschädlichen Emissionen mittelfristig auf Null reduziert werden. Bei klimaneutralen Antrieben spielen synthetische Treibstoffe oder Treibstoffe aus erneuerbaren Rohstoffen eine wichtige Rolle. Diese alternativen Kraftstoffe müssen aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Denn sonst wäre das eine Mogelpackung. Den Einsatz solcher Treibstoffe fördert der Flughafen nun über seine geänderte Entgeltordnung, was ich sehr begrüße. Das Ziel ist klar: Der Technologie zum Durchbruch verhelfen und den serienmäßigen Einsatz fördern. Elektrisches Fliegen wird ebenfalls über die Entgeltordnung begünstigt. Seit dem Abheben des ersten HY4-Flugzeugs in Stuttgart wurde das Thema im Schulterschluss mit der Wissenschaft weiterentwickelt. Außerdem finde ich es absolut richtig, dass sich der Flughafen an der Erforschung der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie beteiligt.
Elektromobilität setzt sich bei privaten Autofahrern eher schleppend durch. Was tun Sie, um ein Umdenken bei den Menschen zu bewirken?
Wir haben das klare Ziel, dass das Elektroauto der Zukunft in Baden-Württemberg erforscht und entwickelt wird und bei uns vom Band läuft. Wir sind gut aufgestellt, was Investitionen, Forschung und Entwicklung angeht. Da legen wir noch einen Zahn zu. Erfreulich ist, dass sich im Jahr 2020 die Nachfrage nach E-Autos deutlich erhöht hat. Inzwischen haben etwa zehn Prozent der Neuwagen einen elektrischen Antrieb. Das Land fördert E-Fahrzeuge mit dem sogenannten BW-e-Gutschein. Den können unter anderem Fahrschulen, soziale Dienste, Bürgerbusvereine oder Car-Sharing-Unternehmen in Anspruch nehmen. Am Ausbau der Infrastruktur arbeiten wir. Aktuell haben wir im Kreis Esslingen 259 öffentlich zugängliche Ladesäulen. Von 548 Schnellladepunkten in Baden-Württemberg befinden sich 122 im Landkreis Esslingen.
Wie realistisch ist der S-Bahn-Ringschluss von den Fildern ins Neckartal?
Mein klares Ziel ist der Ausbau des Schienennetzes, um eine vollwertige Alternative zum Autoverkehr anzubieten, die Straßen zu entlasten und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Verlängerung der S 1 nach Nürtingen hat auch für Wernau, Wendlingen und Oberboihingen enorme Vorteile. Für Wernau und Wendlingen ergibt sich da sogar ein 15-Minuten-Takt. Damit noch mehr Fahrgäste profitieren können, fordere ich eine Ausweitung des Schnellbusses von Kirchheim nach Wendlingen. Klar ist aber für mich: Mit der S-Bahn nach Nürtingen ist der Ringschluss nicht erledigt. Wir brauchen eine Direktverbindung aus dem Raum Kirchheim/Wendlingen in Richtung Fildern. Das ist das Topthema für unseren Wirtschaftsstandort.
Das Radfahren ist die klimafreundlichste Art, sich fortzubewegen. Was tut das Land, um mehr Menschen zum Umstieg zu bewegen - etwa im Kreis Esslingen?
Entscheidend ist für mich, gerade die Pendler zum Umstieg zu bewegen. Wichtig für die Attraktivität eines Radwegs ist, dass man durchgängig und sicher von A nach B kommt. Durch Radwegschnellverbindungen kann eine Verlagerung zugunsten des Radverkehrs erreicht werden. Da ist das Land mit drei Pilotprojekten gestartet, eines davon ist der Radschnellweg von Stuttgart über Esslingen und Plochingen nach Reichenbach. Der erste Bauabschnitt verläuft von Stuttgart entlang des Neckars zur Rossneckarbrücke. Ziel ist es, die Planung bis Sommer 2021 abzuschließen. Voraussichtlich Mitte 2024 kann mit dem Bau begonnen werden. Der Radschnellweg ist ein Meilenstein. Die Grünen-Landtagsfraktion hat das Ziel, den Radverkehr bis 2030 auf 20 Prozent zu erhöhen. Bei den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2020/21 haben wir uns erfolgreich für den Ausbau von Radwegen eingesetzt. 32 Millionen Euro stehen jetzt zusätzlich für den Ausbau zur Verfügung.