Zwischen Neckar und Alb
Raus aus dem Bunker: Das Freilichtmuseum mistet aus

Umzug Das Museum muss seine Exponate aus den Bunkern des ehemaligen Munitionsdepots im Tiefenbachtal räumen. Die Bunker werden renaturiert, die Exponate bewertet und katalogisiert. Von Uwe Gottwald

Das Freilichtmuseum des Landkreises hat in 33 Bunkern des ehemaligen Munitionsdepots im Tiefenbachtal zwischen Nürtingen und Beuren rund 75 000 Exponate eingelagert. Das militärische Gelände ging nach dem Abzug der Bundeswehr in den Besitz des Landkreises über. Weil es bis 2029 renaturiert werden muss, wurde mit dem Auszug des Lagers begonnen. Neue Heimat für die Exponate wird ein Hochregallager im Beurener Gewerbegebiet. Bis 2025 müssen die Bunker geräumt werden. Rund 50 Mitglieder des Esslinger Kreistags  konnten sich bei einer Informationsfahrt ein Bild von der aktuellen Situation machen.

Es gibt viel zu tun: Von Sensen und landwirtschaftliche Großgeräte bis zu abgebauten historischen Gebäuden samt Möbelstücken hat sich allerlei angesammelt. „In der Bevölkerung kam die Idee eines Freilichtmuseums gut an, viele waren begeistert und spendeten bereits lange vor der offiziellen Gründung vor 26 Jahren Exponate aus alten Beständen“, erinnerte die Museumsleiterin Steffi Cornelius. Fachpersonal sei jedoch noch nicht vorhanden gewesen und so wurde vieles undokumentiert eingelagert. Der Umzug wird nun dafür genutzt, die Exponate zu sichten und den Bestand zu reduzieren. Nach den heutigen Maßstäben der Museumspädagogik wird bei der Auswahl von Museumsstücken gezielter vorgegangen als in den Gründerjahren. 

Das Entsammeln, wie dieser Vorgang im Fachjargon bezeichnet wird, geschieht nach anerkannten wissenschaftlichen Kriterien. Eigens dafür angestellt wurde Dr. Petra Naumann. Die volkskundliche Kulturwissenschaftlerin ist mit der Museumsleiterin und mit Museumspädagoginnen seit vergangenen Oktober dabei, jedes einzelne Stück in Augenschein zu nehmen und zu bewerten. Dabei werden die Exponate in fünf digitalen Verzeichnissen erfasst.

Ob bereits Informationen über ein Ausstellungsstück vorliegen, ist ein wichtiges Kriterium dafür, ob es behalten werden soll. Der Name des Spenders oder wenigstens der Herkunftsort ermöglichen weitere Recherchen. „Die Spender verbinden Emotionen mit den Stücken und haben sie oft auch deshalb an das Museum abgegeben, damit sie erhalten bleiben. Doch die Dinge brauchen eine Geschichte dazu, um einen museumspädagogischen Wert zu erhalten“, erklärt Petra Naumann. Die so mit kulturwissenschaftlichen und historischen Daten unterlegten Exponate können dann zur Ausstattung der Häuser und in wechselnden thematischen Ausstellungen den Besuchern Einblicke in die gesellschaftlichen Zusammenhänge früherer Zeiten geben.

Ein weiteres Kriterium für den Verbleib im Lager ist, welche Stücke zu Demonstrationszwecken für Museumsaktionen gebraucht werden könnten. Weil sie dabei abgenutzt werden, kann es sich lohnen, mehrere Exponate in einer Gebrauchssammlung in Reserve zu haben.

Doch wird man sich von vielem trennen müssen. Man halte sich dabei eng an die Regularien des Deutschen Museumsbundes. Dinge, die durch das Raster fallen, versuche man den früheren Eigentümern zurückzugeben, doch seien die oftmals gar nicht mehr zu ermitteln. Außerdem, so Petra Naumann, habe vieles unter der Feuchtigkeit in den Bunkern gelitten. „Das hat in den letzten Jahrzehnten seine Spuren hinterlassen“, stellt sie fest. Das Militär als voriger Nutzer habe Entfeuchtungsanlagen betrieben, das wäre für das Museum jedoch viel zu teuer gewesen.

Anderes wie zum Beispiel Gebrauchsstühle aus alten Gastwirtschaften habe man schon an gemeinnützige Vereine und Institutionen abgegeben. Auch anderen

 

Wir wollen Geschichten erzählen.
Dr. Petra Naumann
Kulturwissenschaftlerin

 

Museen werden Exponate, die das Freilichtmuseum mehrfach vorrätig hat, angeboten. Stücke zu veräußern, davon hält die Kulturwissenschaftlerin nichts. „Zu diesem Zweck sind sie nicht gespendet worden“, so ihr Hinweis.

Petra Naumann schätzt, dass etwa 40 Prozent der Stücke entsorgt werden, vor allem wegen ihres schlechten Zustands. Doch auch der Platz ist beschränkt, zumal man ja noch neue Exponate dazugewinnen möchte. In den Bunkern standen 4000 Quadratmeter zur Verfügung, im neuen Lager sind es nur noch 1200.  Was ausgesondert wird, entscheiden die Verantwortlichen des Museums aber nicht alleine, auch wenn sie viel Vorarbeit verrichten. „Zuvor wirft ein Sachverständigengremium noch einen Blick auf jedes Stück“, bekräftigt die Kulturwissenschaftlerin. Dazu werden Experten aus anderen Museen zurate gezogen. Bevor die verbleibenden Exponate dort eingelagert werden, müssen sie akribisch katalogisiert werden. „Sonst finden wir dort nichts mehr“, so Naumann.

 

Was passiert mit den Bunkern im Tiefenbachtal?

Weil die Bunker massiv gebaut sind, können sie nicht abgetragen werden. Deshalb werden sie mit Erdmaterial verfüllt und nochmals mit einer bis zu drei Meter hohen Erdschicht überdeckt, auf der neuer Wald entstehen wird. Wenn die Lager geräumt sind, beginnt die Verfüllung der Bunker und des Geländes. „Es kommt nur unbelastetes Erdmaterial in Betracht“, sagt Manfred Kopp, der Geschäftsführer des kreiseigenen Abfallwirtschaftsbetriebs (AWB).

Aufgeforstet wird nach forstwirtschaftlichen Kriterien. Die Erdschicht sei so bemessen, dass man über den Bunkern Bäume pflanzen könne. Rund 140 000 Quadratmeter Waldfläche kommen auf dem insgesamt 257 000 Quadratmeter großen Gebiet dazu. Außerdem sollen drei der insgesamt 48 Bunker für Fledermaus-Domizile hergerichtet werden.

Auch der AWB nutzt die Verfüllung: Rund 500 000 Kubikmeter Erdaushub aus Bautätigkeiten in der Region sollen verfüllt werden, was die Kapazitäten der angrenzenden Erddeponie Blumentobel auf Jahre hin verlängert. Die Befürchtung, dass mit der Verfüllung den umliegenden Gemeinden mehr Lastkraftverkehr drohe, entkräftet Kopp: „Es ist das gleiche Aufkommen wie jetzt schon bei der Anfahrt zum Blumentobel, nur dann eben auf das ehemalige Militärgelände.“ ug