Zwischen Neckar und Alb
Raus aus der Schuldenfalle

Finanzen Die Schuldner- und Insolvenzberatung im Landkreis will sich verstärkt junger Menschen annehmen, die ihre Ausgaben nicht im Griff haben. 7000 Jugendliche im Kreisgebiet sind betroffen. Von Thomas Schorradt

Unerfahrenheit im Umgang mit Geld und mit Ratenverträgen, geringe oder gar keine Kontrolle über das eigene Konsumverhalten, die Verlockungen der digitalen Medien und des Internets – es gibt viele Gründe, weshalb junge Menschen in die Schuldenfalle geraten können. Und es gibt offensichtlich immer mehr Jugendliche, die sich nicht mehr aus dem Teufelskreis befreien können und, wenn überhaupt, mit einer schweren Hypothek in ihre Berufslaufbahn starten.

Dem Schuldneratlas 2020 der Bundesrepublik Deutschland zufolge haben zwölf Prozent der unter 30-Jährigen ihre Finanzen nicht im Griff. Auf den Landkreis Esslingen heruntergebrochen hieße das, dass rund 7000 junge Menschen

 

Dass wir bei der Jugend einen anderen
Zugang suchen müssen, leuchtet ein.
Rainer Stephan
FDP-Sprecher

 

von der Schuldenlast nahezu erdrückt werden, bevor sie überhaupt richtig in das Berufsleben gestartet sind. „Das ist eine alarmierende Zahl“, stellte Landrat Heinz Eininger in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Esslinger Kreistags fest. Um gegenzusteuern, wird die Schuldner- und Insolvenzberatung im Kreis Esslingen, die vom Landkreis in Zusammenarbeit mit dem Kreisdiakonieverband Esslingen und dem DRK verantwortet wird, ihr Angebot um den Baustein „Schuldnerberatung für junge Menschen“ erweitern.

Als Zielgruppe gelten Jugendliche und junge Erwachsene, die ihrer hohen Schuldenlast wegen an der Sinnhaftigkeit einer Berufsausbildung zweifeln, ebenso wie die Kinder finanzschwacher Familien, denen es an Rückhalt und Hilfe des Elternhauses fehlt. Anders als bei Erwachsenen spielen die klassischen Fallstricke, wie Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut, Trennung oder Scheidung, gescheiterte Selbstständigkeit und Krankheit, bei jungen Menschen kaum eine Rolle.

Das junge Klientel soll jetzt zeitnah und vor allem in digitaler und aufsuchender Form angesprochen werden. Auch soll der Ausbau von Social-Media-Auftritten den Zugang zu der Problemgruppe schaffen. Dabei stützt sich der Landkreis auf die Erfahrungen in der Jugendschuldnerberatung, wie sie bisher schon vom Kreisdiakonieverband Esslingen in Eigeninitiative projekthaft umgesetzt worden war. Die vom Ausmaß des Problems sichtlich beeindruckte Ratsrunde sprach sich einstimmig für den entsprechenden Personalkos­tenzuschuss in Höhe von 49 000 Euro aus. Die Zustimmung der Großen Kreisstädte, die mit rund 20 Prozent an den Personalkosten beteiligt sind, ist entweder, wie in Nürtingen und Ostfildern, schon erfolgt oder gilt, wie in Esslingen, als sicher.

Beratung ist wirksam

Angesichts der Tatsache, dass es eine Wechselwirkung zwischen Armut und Verschuldung gibt, gilt eine Schuldnerberatung für junge Menschen als wirksames Instrument sowohl zur Armuts- als auch zur Gewaltbekämpfung. Dem widersprach niemand aus den Reihen des Sozialausschusses. Das Ziel, die Jugendlichen über eine Wertediskussion zum Überdenken des eigenen Konsumverhaltens anzuleiten, stieß auf allgemeine Zustimmung.

Als Starthilfe in ein gelingendes Erwerbs- und Berufsleben verbuchte der FDP-Sprecher im Ausschuss, Rainer Stephan, das Geld und den neuen Beratungsbaustein. „Dass wir bei der Jugend einen anderen Zugang in der Schuldnerberatung suchen müssen als bei den Erwachsenen, leuchtet ein“, sagte er. Den Antrag, die Stelle auf vorerst drei Jahre zu befristen, hielt Stephan nicht aufrecht, nachdem die Sozialdezernentin des Landkreises, Katharina Kiewel, ihn auf die schwierige Situation auf dem Stellenmarkt hingewiesen hatte. Trotzdem spielte die Drei-Jahres-Frist eine Rolle: Nach Ablauf dieser Zeit wollen alle Beteiligten die Jugendschuldnerberatung noch einmal auf den Prüfstand stellen.